Das Mittelalter wird oft als „dunkle“ Zeit beschrieben.
Als Mittelalter wird die Zeit zwischen 476 und 1492 bezeichnet. Im Jahr 476
besiegte Odoaker, König der Heruler (um 433-493), den letzten legitimen
weströmischen Kaiser Romulus Augustulus (um 459-dopo il 476) und im Jahr 1492
entdeckte Christopher Kolumbus einige Inseln im Westen, von denen er irrtümlich
annahm, sie würden zu Indien gehören. Dass er einen neuen Kontinent entdeckt
hatte, der dann Amerika genannt wurde, hat Kolumbus nie begriffen.
Nach dem Jahr 476 fiel in Westeuropa die gesamte
politische und staatliche Organisation, die für Jahrhunderte das römische
Kaiserreich ausgezeichnet hatte, in sich zusammen, und begann eine neue Epoche,
in der die Völker Nord- und Osteuropas versuchten Verwaltung, Wirtschaft,
Militär und Rechtsprechung auf ihre Art neu zu ordnen und zwar auf lokaler
Ebene.
Mit dem Weströmischen Reich endet auch die goldene
Zeit der Städte. Die europäischen Städte schrumpfen mit Ausnahme von
Konstantinopel. Das antike Byzanz wird Hauptstadt des Ostens, des Oströmischen
Reiches, und es gelingt dieser Stadt sogar ihre Wirtschaftmacht zu stärken. Im
Jahr 400 hat sie etwa 700.000 Einwohner. Sie erhält breitere Strassen und
grössere Plätze, Marmorpaläste, Kirchen, Wandelgänge, Arkaden, Brunnen, Parks,
Bibliotheken und Schulen. Nur die Viertel des gemeinen Volkes bleiben so wie
sie sind: mit engen Gassen und hohen Mietshäusern. Die insulae von Konstantinopel ragen noch höher in den Himmel als die Roms und
erreichen eine Höhe bis zu 30 Metern (zehn Stockwerke), dort wo die Strasse
mindestens vier Meter breit ist. In diese Vierteln dringt die Sonne nie.
Konstantinopel bleibt Hauptstadt für mehr als tausend Jahre. Erst im Jahr 1453,
nach einer kurzen Belagerung, wird Stadt von den Türken erobert, weil sich im
christlichen Abendland niemand für sie einsetzt.
Im Westen verfallen nach 476 die Städte langsam aber
kontinuierlich. Köln, die römische
Colonia Claudia Ara Agrippinensium, gegründet um 49 u.Z., wird 355 von den
Alemannen zehn Monate lang belagert.
Hundert Jahre später, im Jahr 455 wird die Stadt von den salischen
Franken erobert und zu deren Hauptstadt gemacht. Auch Mainz (Mogontiacum), das aus einem römischen
Militärlager hervor gegangen ist und im Jahr 89 u.Z. Hauptort der Provinz
Obergermanien geworden war, in dem seit der Mitte des 4. Jahrhunderts eine von
einem Bischof geleitete christliche Gemeinde lebte, wurde um das Jahr 408 von
Wandalen, Alanen und Sweben geplündert. Erst im Jahr 782 wird Mainz
Bischofssitz und somit Hauptort einer Diözese.
Die grösste römische Stadt nördlich der Alpen war Augusta Treverorum (Trier), Hauptort der
Provinz Gallia Belgica, und hatte im
4. Jahrhundert u.Z. zwischen 80.000 und 100.000 Einwohner. Von 328 bis 340 war
Trier Residenz von Kaiser Konstantin II. und ab 367 von Valentinian I. Im Jahr
407, als Wandalen, Alanen und Sweben Gallien überfluteten, wurde die Präfektur
nach Arles verlegt. Im 5. Jahrhundert wurde die Stadt wiederholt von den
Franken besetzt und geplündert und im Jahre 451 von den Hunnen Attilas erobert.
Um das Jahr 1100, war das Areal der Stadt nur noch ein Viertel so gross wie in
römischer Zeit (siehe Karte).
Grundriss
der Stadt Trier in römischer Zeit und im Mittelalter
(Quelle: Böhner in
“European Towns” 1977)
Die germanischen Stämme mochten die Städte und das
Stadtleben nicht. Sie lebten lieber auf dem Land in Dörfern und Einzelgehöften
und liessen deshalb die baulichen Überreste der römischen Städte verkommen. Die
städtische Kultur erlebte einen raschen Niedergang. Die germanischen
Königreiche hatten keine feste Hauptstadt. Noch Karl der Grosse (um 748-814)
und seine Nachfolger führten das Leben von Nomaden: sie reisten, je nach
Erfordernis und Dringlichkeit, samt ihrem Hofstaat von Pfalz zu Pfalz, von palatium zu palatium, und regierten von dort aus, über die einzelnen Teile
ihres Herrschaftsgebietes. Die Hauptpfalz Karls des Grossen war Aachen, wo er
auch nach seinem Tode beerdigt wurde. Sein dortiger Palast war mit römischen
Architekturelementen (Säulen, Dekorationen) ausgeschmückt, die aus den Ruinen
Triers stammten. Einige dieser Pfalzen entwickelten sich später zu wichtigen
Verwaltungshauptorten und auch viele Bischofssitze nahmen nach und nach
städtisches Gepräge an. Gegen 1100 begannen in Deutschland die alten,
heruntergekommenen römischen Städte wieder zu wachsen und entstanden viele neue
Städte und stadtähnliche Siedlungen.
Die mittelalterlichen Städte waren von mächtigen Mauern
umschlossen. Ihre Mauern und Türme machten weithin sichtbar, dass eine Siedlung
eine Stadt und kein Dorf war. Selbst wenn man anfänglich Freiflächen innerhalb
der Stadtmauern eingeplant hatte, waren diese jedoch bald zugebaut und der
Platz wurde infolge von Zuwanderungen knapp. Man musste in die Höhe bauen.
Häuser mit zwei, drei und mehr Stockwerken waren das Übliche. Die Bauplatze
waren schmal – 5-6 Meter breit - und sehr tief. Das typische Haus eines
Handwerkers hatte drei Geschosse: im
Erdgeschoss lagen die Werkstadt, die sich mit einem Tor zur Strasse hinaus
öffnete, ein fensterloser Lagerraum und die Küche. Im hinteren Teil des
Grundstücks lag ein kleiner, schmaler Hof mit der Latrine. Die zwei oberen Wohngeschosse erreichte man über steile Treppen.
Diese Häuser hatten nur wenige und kleine Fenster, auf
jedem Obergeschoss ein oder zwei zur Strasse und eins zum Hof, schon deshalb,
weil die Fenster nur durch Holzläden oder geölte Vorhänge zu verschliessen
waren, denn Fensterglas war zu teuer und verglaste Fenster verbreiteten sich
erst später ab dem 13. Jahrhundert.
Mittelalterliches Perugia
(nach einer Darstellung von Bonfigli)
Die Häuser waren entsprechend der örtlichen
Bautradition gebaut und folglich sahen sie von Region zu Region etwas anders
aus. Nördlich der Alpen baute man viel mit Holz und sogar viele Burgen waren
ursprünglich aus Holz gebaut, und anstelle von Mauern hatten sie Palisaden.
Nur in Westeuropa, in Ländern die römisch gewesen waren, kannte man das Bauen
mit Steinen und Ziegeln. Von dort verbreitete sich der Steinbau langsam nach
Osten. Anfänglich wurden nur die wichtigsten Gebäude in Stein gebaut: die
Burgen des Adels, die Kirchen und die Häuser der Steuereinnehmer. Es wurde üblich das Erdgeschoss aus Sicherheitsgründen in Stein und Ziegeln
zu bauen und die oberen Geschosse und das Dach in Holzfachwerk. Holz gab er
reichlich und das Bauen mit Holz hatte in den germanischen und slawischen
Ländern eine lange Tradition.
In den Mittelmeerländern
baute man weiterhin mit Steinen und Ziegeln und benutzte das Holz nur für
Balken und den Bau von Toren, Türen, Fenstern und Möbeln. Die Notwendigkeit in
den Städten in die Höhe zu bauen wurde vom Adel Italiens (der im Unterschied
zum germanischen Adel das Stadtleben vorzog) benutzt, um in den Städten
vollbefestigte Burgen mit hohen Türmen (castrum cum turris) zu errichten. Nur adlige Familien
hatten das Recht, Befestigungen und Türme in der Stadt zu bauen. Sie bedurften
dazu jedoch der Genehmigung durch den Lehensherren. Die Ttürme waren
Prestigeobjekte, die den Reichtum und die Macht ihrer Besitzer ausdrücken sollten.
Das führte dazu, dass immer höhere Türme errichtet wurden mit dem Ergebnis,
dass diese häufig einstürzten, wobei unvermeidlich auch die umstehenden Häuser
beschädigt wurden.
Mittelalterliche
Stadtburg mit Türmen (Idealdarstellung)
(Quelle: Wood-Brown, J. The Builders of Florence,
London 1907, p. 81.)
Das war auch der Grund, der
gegen Ende des 12. Jahrhunderts zur sogenannten „Köpfung der Türme“ führte, das
heisst zur Abbruch der obersten Geschosse dieser Bauwerke. Mit der zunehmenden Zurückgewinnung
der Macht in den Städten durch das Bürgertum, verboten die Stadtregierungen das
Bauen neuer Türme durch Private und begrenzten durch Gesetze deren Höhe. Kein
Turm durfte nun höher als der des Rathauses sein.
In den nachfolgenden Jahrhunderten, wurden die düsteren
und unbequemen Wohnburgen aufgegeben zugunsten komfortablerer Stadthäuser und
Paläste; zum Teil wurden sie auch in diese neuen Gebäude integriert. Nur wenige
dieser mittelalterlichen Bauwerke haben sich in den italienischen Städten bis
heute erhalten. Am bekanntesten für seine Türme ist San Gimignano in der Toskana,
wo mehrere Turme „ungeköpft“ erhalten sind. Allerdings sind von den ehemals
mehr als siebzig Türmen, von denen man Kenntnis hat, nur vierzehn noch in
voller Höhe vorhanden.
Die Strassen und Gassen der
mittelalterlichen Städte waren eng, nur die Hauptstrassen, die die Stadt von
Tor zu Tor durchquerten waren etwas breiter. Die Häuser der wohlhabenden
Städter und des Adels befanden sich an diesen Hauptstrassen und an den Kirch-
und Marktplätzen, denn an diesen Orten gab es mehr Licht und Sonne. Aber erst
in der Renaissance erscheinen grosse Stadtpaläste der reichen Bürgertums und
des Adels mit grossen auf die Strasse blickenden Fenstern.
Viele Menschen glauben noch heute ans „finstere
Mittelalter“, aber diese Vorstellung ist
falsch. Wie in jeder Epoche, hat es auch im Mittelalter Fortschritte und
Erfolge gegeben, auf philosophischen, künstlerischen und technologischen
Gebiet. Zu den Erfindungen, die im Mittelalter gemacht wurden, gehören das
mechanische Uhrwerk, die Brillen, der Buchdruck, das Schiesspulver und die
Artillerie. Auch die Nutzung der kinetischen Energie von Wasser durch Mühlen,
Walkereien, Sägereien und andere mechanische Betriebe. Hinzu kommt die Nutzung der
Windenergie durch Windmühlen und in der Seefahrt. Die erste Erwähnung von
Windmühlen in Europa stammt aus dem Jahr 1222.
Im Zusammenhang mit der passiven Sonnenenergienutzung und dem klimagerechten Bauen ist wohl die wichtigste Errungenschaft des Mittelalters die zunehmende Herstellung von Fensterglas nach dem Erscheinen der Schrift “De diversis artibus“ des Benediktinermönchs Theophilus Presbiter am Anfang des 12. Jahrhunderts. Die nun rationeller gewordene Herstellung von Glasscheiben leitete die wachsende Verbreitung verglaster Fenster ein.
Nessun commento:
Posta un commento