Das
Landgut des Horaz in den Sabinerbergen
Quintus Horatius
Flaccus wurde am 8. Dezember 65 v.u.Z. in Venusia, Lukanien (heute Venosa an
der Grenze zwischen Apulien und Lukanien) als Sohn eines freigelassenen
Gutsverwalters geboren, der die Tätigkeit eines Agenten bei öffentlichen
Versteigerungen (coactor
exactionum) ausgeübt und ein bescheidenes Vermögen erworben hatte. Folgt man Suetonius
so scheint es wahrscheinlich, dass der Vater ein salsamentarius war, ein Händler von
eingesalzenem Fisch. Nach der Übersiedlung nach Rom besuchte Horaz Lektionen
bei dem bekannten Grammatiker Orbilius
um dann seine Ausbildung in Athen fortzusetzen, wo er Philosophie und Literatur studierte (1).
Nach der
Ermordung Caesars im Jahr 44 v.u.Z. heuerte Horaz in Athen beim Heer von Brutus
und Cassius an; er kämpfte als Militärtribun in der Schlacht von Philippi (2) mit
(42 v.u.Z.). Nachdem die Schlacht verlorengegangen war, konnte Horaz, dank
einer Amnestie nach Rom zurückkehren, wo er jedoch vernehmen musste, dass das
väterliche Vermögen enteignet worden war. Deshalb nahm er eine Stellung als
Sekretär eines Quästors (scriba quaestorius) an, und weil er in dieser
Stellung viel Freizeit hatte, widmete er sich der Dichtung.
Im Jahr 38
v.u.Z. zog Horaz das Interesse Virgils und Varius‘ auf sich, die ihn Maecenas
vorstellten, einem reichen und freigebigen Adligen, der sich als Beschützer und
Förderer von Künstlern und Schriftstellern betätigte und der sich dem jungen
Dichter annahm. Im Jahr 33 v.u.Z., nach der Veröffentlichung des ersten Buches
seiner Satiren (35.v.u.Z.) schenkte ihm Maecenas ein Landgut im sabinischen
Bergland. Ein sehr willkommenes Geschenk für einen jungen Dichter, der, in
völliger Übereinstimmung mit dem von Epikur gepredigten modus vivendi lebte und das Stadtleben nicht mochte. Maecenas starb
im Jahr 8. v.u.Z. und im gleichen Jahr, am 27 November in Rom auch Horaz.
Die Villa
des Horaz befindet sich in Licenza, Provinz Rom, auf dem kleinen Hügel namens Vigne di S. Pietro auf halber Höhe des
Berges. Der Ort liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich von Tivoli entfernt; von
Rom aus sind es 42 Kilometer. Um das Landgut von der Hauptstadt aus zu
erreichen, brauchte man etwas mehr als einen Tag. In seinen Werken beschreibt
Horaz die Natur, die das Landgut umgibt und das tägliche Leben in der Umgebung
und auf den Feldern. Glaubt man diesen Informationen, muss das Landgut die
Grösse von etwa 40 Hektar gehabt haben und umfasste Äcker, Obstplantagen, einen
Gemüsegarten, ein Stück Rebland, eine Olivenplantage, Weide- und Waldland. An
diesem idyllischen Ort traf Horaz die Ruhe und Inspiration für sein zweites
Buch der Satiren, für die Epoden und für das erste Buch der Oden. Ein wahres
Geschenk an die gesamte Menschheit, welches das Geschenk des Maecenas zur Folge
gehabt hat.
Die Villa
entwickelt sich auf zwei Ebenen. Auf der oberen befand sich die eigentliche
Wohnung mit Atrium und Peristyl in der zentralen Achse und zwölf seitlichen
Zimmern, sechs im Osten und sechs im Westen. Die zwei Teile waren durch eine
vorgelagerte Kryptoporticus verbunden, sowie durch einen zentralen, in Ost-West-Richtung
verlaufenden Korridor im Inneren. Einige der Räume hatten schwarz-weisse Mosaikfussböden.
Das Mosaik im westlichsten der Räume, auf der Nordseite, hebt diesen Raum aus
den anderen Schlafzimmer (cubicula)
heraus; vielleicht handelte es sich um das Schlafzimmer des Dichters selbst.
Die Villa
des Horaz bei Licenza.
Grundriss nach G. Lugli
Der Garten
vor der Villa, auf der unteren Ebene, war erreichbar über drei Stufen und
bedeckte eine Fläche von 2425 Quadratmetern
und war von Säulengängen eingefasst. In seiner Mitte befand sich ein
Schwimmbecken (piscina).
Die Villa hatte
vielleicht ein zweites Obergeschoss und weitere Zimmer von welchen aus man ausser
dem Garten, auch den Fluss Digenzia sowie die Orte Licenza und Civitella sehen
konnte.
Im Westen des
Landhauses schliesst sich eine Badeanlage an mit warmen, lauwarmen und kaltem
Bad, die möglicherweise schon von Maecenas gebaut worden waren. Die
Landwirtschaft war an fünf freie Bauernfamilien (coloni) vermietet, ausserdem arbeiteten für Horaz acht Sklaven.
Obwohl der
Dichter immer gern die Grösse seines Anwesens herabgespielt hat (modus non ita magnus, villula, agellus, angelus ille), zeigen die archäologischen Befunde doch eine ganz
andere Situation.
In der
späten Renaissancezeit begannen bekannte Gelehrte aber auch Liebhaber der
Antike, Untersuchungen und Studien anzustellen, insbesondere aber Spekulationen
über den möglichen Standort der Horaz’schen Villa.
Die
Auffindung einiger Mosaikreste und Reste von Mauerwerk, die aus dem Erdboden
eines Hügelchens unweit des heutigen Licenza hervorragten, lenkten die
Aufmerksamkeit der Forscher auf den wahren Standort der alten Villa. Der Ort
befand sich nahe bei einem kleinen Wasserfall, der seinen Ursprung oberhalb der
Villa hat und der den Dichter an die Fons Bandusiae von Venosa
erinnert hatte.
Das grosse
Interesse, das die Auffindung des Ortes erregt hatte, ermutigte die Archäologen
zu weiteren Untersuchungen bis schliesslich im Jahr 1911 reguläre Ausgrabungen begannen.
1915 wurden die Ausgrabungen unter der Leitung des Archäologen Angelo Pasqui
fortgesetzt. Es kamen die Mauern und die Räume zutage, die man heute noch
besichtigen kann.
In der Zeit
zwischen 1997 und 2001 wurden Grabungen auch in anderen Teilen des Grundstücks vorgenommen und zwar unter Leitung von Prof. Bernard Frischer, des Departments
of Classics, UCLA, in Zusammenarbeit mit Soprintendenza dei Beni Archeologici der
Provinz Latium. Es kamen dabei neun Statuen und weitere Stücke aus der Zeit des
Horaz ans Tageslicht. Die Fundstücke können jetzt im Antiquarium von Licenza
besichtigt werden.
Anmerkungen
(1) Hor. epist. 2,2,44
(2) Hor. carm. 2,1
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