Verbunden mit
dem Thema „Bäder“ ist der Begriff „heliocaminus“
auf welchen moderne Verfechter der Sonnenenergie sich gerne berufen, um auf die
Wichtigkeit hinzuweisen, welche die Sonne bei den Römern genoss und um das
„Recht auf Sonne“ zu untermauern. Leider ist nicht ganz sicher, was mit „heliocaminus“ wirklich gemeint ist.
Das Wort „heliocaminus“ kommt in der antiken Literatur
nur zweimal vor: einmal in einem Brief von Plinius dem Jüngeren und zum zweiten
Mal in den Digesten. Aus der Beschreibung, die Plinius in seinem Brief an
seinen Freund Gallus (1) gibt, lässt sich annehmen, das
ein „heliocaminus“ so etwas wie ein
„Solarium“ ist, ein Raum, in dem man die Sonne richtig geniessen kann und der
von der Sonne auch im Winter erwärmt wird.
Die Digesten sind eine Kompilation fragmentarischer
antiker juristischer Texte, aus der Zeit Kaiser Justinians I. (ca. 482-527
u.Z.). Dort steht, dass man einem als „heliocaminus“
dienenden Raum die Sonne nicht nehmen darf, zum Beispiel durch Verschattung. In
der Regel sieht man in einem „heliocaminus“
ein zur Sonne ausgerichtetes Zimmer, ein Zimmer, welches sehr viel Sonne erhält,
also etwas ähnliches wie ein Solarium (2). Bei Vitruv kommt das Wort nicht vor. Dieser spricht zwar oft von der
besten Besonnung der Räume, aber er gebraucht diesen Ausdruck nie.
Die
Thermen mit heliocaminus in Tivoli
In der Hadriansvilla in Tivoli, nahe bei Rom, stehen
neben der Residenz aus republikanischer Zeit und mit dieser durch einen Gang
verbunden, die Reste eines Gebäudes, das „heliocaminus“
genannt wird und das Teil einer kleinen Badeanlage war. Es handelt sich um einen runden, von einer
Kuppel überwölbten Saal. Die Kuppel war kassettiert und hatte oben eine
kreisrunde, mit einer bronzenen Klappe verschliessbare Öffnung (lumen), deren Stellung mittels einer
Kette reguliert werden konnte. Sie diente zur Regelung von Wärme und Dampf.
Die “Thermen mit heliocaminus” haben ihren Namen von diesem Bauwerk
erhalten, das als heliocaminus bezeichnet
wird. Der Raum wurde allerdings nicht
nur von der Sonne erwärmt, sondern besass auch eine Fussbodenheizung (hypocaustum) (Bild: Stefan Ramseier)
Der Saal
hatte auf der Südwestseite fünf grosse verglaste
Fenster. Die Glasscheiben waren von bescheidener Dimension und mit Blei an einem
Eisen- oder Bronzerahmen befestigt. In der Mitte des Raumes stand ein grosses,
rundes Wasserbecken. Die fünf Fenster waren im Halbrund angeordnet, so dass man
im Innern möglichst lang Sonne hatte. Der Fussboden des Raumes war jedoch auch heizbar. Er stand auf kleinen
Pfeilerchen (suspensurae) zwischen denen Heissluft zirkulierte. Die Archäologen nehmen an, dass
dieser Raum ein solarium oder ein sudatium war, eine Art Sauna, weil man
unter dem Fussboden auch eine Anlage zur Warmwasser- oder Dampferzeugung (testudines) gefunden hat (3).
Schnitt
des runden Saales, genannt heliocaminus in der Villa Hadriana in Tivoli (Quelle: habitat.aq.upm.es/boletin/n9/famvaz/i3amvaz.html)
Den Saal haben die Archäologen „heliocaminus” genannt mit Bezug auf die Beschreibung, die Plinius
der Jüngere von seiner südlich von Rom gelegenen Villa gibt (Plinius d.J., epist. 17. lib. 2, 20). Darin heisst es: „in
hac heliocaminus quidem, alia xystum, alia mare, utraque solem, etc. (In ihm befindet sich ein Sonnenbad mit Ausblick, hier
auf die Terrasse, dort aufs Meer und beiderseits auf die Sonne, etc.).
Der
seltene Ausdruck „heliocaminus” lässt daran denken, dass dieser Raum in der Villa eine
Besonderheit hatte, denn auch mehrere andere Räume der Villa waren nach der
Sonne ausgerichtet. Ich halte es für möglich, dass Plinius das Wort wegen der
Form des Raumes gewählt hat.
Im
Lateinischen ist caminus auch ein
Brennofen (fornax), und ein Brennofen ist eine gemauerte Kammer mit einem Rost
als Boden, in der man Tonwaren brennt. Die alten Brennöfen, von denen noch
einige wenige in Betrieb sind, hatten einen runden Grundriss und waren von
einer Kuppel uberwölbt (ähnlich wie manche Pizzaöfen). Unter der Kammer
entzündete man das Feuer und oben in der Kuppel befand sich der Rauchabzug. Die
Form war sehr rational, denn die Hitze verteilte sich in der Kammer gleichförmig
und, wenn das Ganze einmal heiss war, hielt die Ziegelmasse noch lange die Temperatur.
Man könnte
also heliocaminus mit „Solarofen”
übersetzen: Ofen, weil er von unten beheizt wurde, und Solar, weil er grosse
Fenster auf der Südseite hatte, die die Sonne hereinliessen. Seine Funktion war
die eines sudatiums und eines solariums, also
nicht einfach ein gut besonntes Zimmer oder eine gut besonnte Wohnung.
Es scheint
als seien solche Solarien und Schwitzräume vor allem in den Landhäusern (villae rusticae) verbreitet gewesen, denn auf dem Lande gab es genug
Platz um freistehende, nach Südosten ausgerichtete Bäder zu errichten, die
Sonne von Mittag bis zum Abend erhielten.
Die zweite
Stelle, an der von heliocaminus die
Rede ist, findet sich in den Digesten des Enea Domitius Ulpianus, einer der
letzten grossen, römischen Juristen der klassischen Zeit. Ulpianus stammte aus
Tyros in Phönizien, wo er um 170 u.Z. geboren wurde. Er starb 223 u.Z. in Rom.
Zusammen mit seinem Kollegen Paulus gehörte er zum concilium des Prätorianerpräfekten Papianus, stieg dann selbst zum
Prätorianerpräfekt auf und wurde im Jahr 223 u.Z. von einer Gruppe
revoltierender Prätorianer ermordet. Er war ein sehr eifriger Schriftsteller;
man weiss von 280 Büchern, die er geschrieben hat. Auszüge aus seinen Schriften
fanden in grossem Stil Eingang in die Digesten des Kaisers Justinianus.
In dieser
Gesetzessammlung, wird ein heliocaminus
einem Solarium gleichgesetzt, einem Raum in dem man sich sonnt, oder der von
der Sonne erwärmt wird. Auf jeden Fall handelt es sich um einen Raum, in dem
die Sonne unabdinglich ist.
Ulpianus schreibt
(4): „Wenn jemand behauptet, dass eine Sache so angeordnet ist,
dass es einem heliocaminus oder einem solarium die Sonne wegnimmt, muss man
sich vergewissern, dass diese Sache tatsächlich einen Ort verschattet, der
notwendigerweise Sonne braucht“.
Der Absatz in den Digesten bezieht sich ganz klar auf
eine städtische Situation, in der es vielfach unvermeidbar ist, dass ein hohes Bauwerk
anderen, nahestehenden Gebäuden die Sonne wegnimmt. Das was das von Ulpian
zitierte Gesetz sagt, dass es Gebäude und Einrichtungen wie ein heliocaminus oder ein solarium gibt, denen man die Sonne nicht
wegnehmen darf. Dazu dürften auch die warmen Bäder der Thermen gehören. Um
einer Verschattung vorzubeugen, waren den warmen und lauen Bädern (calidaria, tepidaria) der Kaiserthermen
in Rom grosse Freiflächen vorgelagert. Das Recht auf Sonne, war jedoch nicht
so, wie es heute gewisse Verfechter der Solararchitektur und Umweltschützer
wollen (5), ein allgemeines Recht (denn um in allen römischen Wohnungen Sonne
zu bringen, hätte man Rom abreissen müssen). Das Recht auf Sonne galt
insbesondere öffentlichen Einrichtungen und nicht privaten.
Anmerkungen
(1) Plinus der Jüngere, Briefe. Buch II, Brief 17
(2) Lateinisches
Online-Wörterbuch (www.albertmartin.de): ein nach der Sonnenseite gelegenes
Zimmer. Charlton Lewis & Charles Short: A Latin
Dictionary (London: Oxford University
Press, 1879) “an apartment exposed to the sun, used as a winter abode)
(3) Manderscheid, Hubertus:
Überlegungen zur Wasserarchitektur und ihrer Funktion in der Villa Adriana, p.
109-140, Römische Mitteilungen 107 (2000)
(4) Dig. 8, 2, 17 pr. „Si arborem ponat, ut lumini officiat, aeque dicendum
erit contra impositam servitutem eum facere: nam et arbor efficit, quo minus
caeli videri possit. Si tamen id quod ponitur lumen quidem nihil impediat,
solem autem auferat, si quidem eo loci, quo gratum erat eum non esse, potest
dici nihil contra servitutem facere: sin vero heliocamino vel solario, dicendum
erit, quia umbram facit in loco, cui sol fuit necessarius, contra servitutem
impositam fieri”.
(5) Treberspurg, Martin, Neues Bauen mit der Sonne, p.47, Wien/New York (1994).
Butti Ken & Perlin John, Golden Thread, p.27, Palo
Alto (Ca.) USA (1980).
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