giovedì 12 settembre 2013

Mittelmeerklima - Antikes Rom - Römischer Städtebau


Die passive Nutzung der Sonnenenergie, so wie wir sie heute verstehen, braucht Platz: Das Sonnenlicht muss die Gebäude erreichen, in die Wohnungen eindringen und darf in seinem Lauf nicht durch andere Gebäude behindert werden. Solche optimale Verhältnisse bestehen in alten Städten nur selten, denn die Häuser stehen dicht gedrängt beieinander, und als die Städte noch von Mauern umgeben waren, standen sie noch dichter. Das Maximum, das man in einer Stadt des Altertums erreichen konnte, war, jeder Wohnung ein bisschen Licht und ein Blick zum blauen Himmel zu geben. Das war meistens auch genug, denn das Leben spielte sich hauptsächlich im Freien ab und nicht in geschlossenen Räumen wie heute. Die Wohnungen, in denen die meisten Städter lebten, waren dunkel und feucht und deshalb wenig gesund. Vielleicht gerade deshalb haben die antiken Planungstheoretiker immer wieder betont, wie wichtig gesunde Verhältnisse in der Stadt sind.

Die Wahl gesunder Orte

Alle antiken Autoren, die sich mit der Stadt und der Stadtplanung beschäftigt haben, stimmen darin überein, dass eine Stadt, in erster Linie, im Hinblick auf die Gesundheit ihrer Einwohner an einem gesunden Ort und unter Berücksichtigung der örtlichen Klimaverhältnisse geplant und gebaut werden muss.

Die Gesundheit eines Ortes, an welchem man eine Stadt oder ein Haus bauen will, ist eines der grossen Themen Vitruvs (1). Die Kriterien, nach denen man einen solchen Ort auswählen soll, lassen sich folgendem Auszug aus Vitruvs Werk entnehmen (2):

„Beim Bau der Stadtmauern selbst aber wird es folgende Grundsätze geben: erstlich Auswahl eines sehr gesunden Platzes. Dieser aber wird hoch liegen, frei von Nebel und Reif sein, weder nach der heissen noch nach den kalten Himmelsgegenden gerichtet, sondern den gemässigten zugewandt; ferner (wird der Platz gesund sein), wenn die Nachbarschaft von versumpften Gelände vermieden wird. Sooft nämlich mit Sonnenaufgang die Morgenwinde zur Stadt gelangen, aufgestiegene Nebelschwaden sich mit ihnen verbinden und sie mit ihrem Wehen die mit dem Nebel vermischten Ausdünstungen von Sumpftieren auf die Körper der Einwohner ausstreuen, verseuchen sie den Ort“.

“Ferner : wenn die Stadtmauern längs des Meeres stehen und nach Süden oder Westen gerichtet sind, wird die Stadt nicht gesund sein, weil im Sommer die südliche Himmelsrichtung bei Sonnenaufgang warm, um die Mittagszeit glühend heiss wird. Ebenso wird, was nach Westen zu gerichtet ist, nach Sonnenaufgang lauwarm, mittags warm, abends heiss. Daher werden die Menschen, die sich an solchen Plätzen aufhalten, durch den Wechsel von Erwärmung und Abkühlung krank“.

Für Vitruv ist ein Ort gesund, wenn er sich in erhöhter, nebel- und frostfreier Lage befindet. Er rät ab eine Stadt nach Süden (zu heiss) oder nach  Norden (zu kalt) zu orientieren und empfiehlt die Ausrichtung nach einer gemässigten Himmelsrichtung, um extreme Temperaturunterschiede zu vermeiden. Es ist heute schwierig zu beurteilen, von welcher Wichtigkeit den römischen Stadtplanern das Kriterium „Gesundheit“ bei der Wahl von Standorten für neue Städte wirklich war. Meistens hatte dieses Kriterium nur geringe Priorität.

Die alten italischen Siedlungen lagen traditionell auf Anhöhen, auf Hügeln und Bergen, an Orten also, die sich gut verteidigen liessen und die trocken und nebelfrei waren. Auch die Römer bewohnten zuerst die Hügel Roms, den Palatin, den Esquilin und den Quirinal, bevor sie im Tal und in der Ebene bauten, denn die Täler waren oft sumpfig und wurden nach der Schneeschmelze und nach Wolkenbrüchen überflutet. Um in Rom das sumpfige Tal zwischen Palatin und Viminal trocken zu legen, wurde die Cloaca maxima gebaut, der Überlieferung nach, schon zur Zeit der Tarquinier-Könige, sicher aber erst später. Dort entstand dann später das Forum Romanum.

Die Römer waren die ersten, die mit dieser alten italischen Tradition, Siedlungen auf Anhöhen zu bauen,  gebrochen haben. In Verlauf der schrittweisen Erweiterung Roms und der Unterwerfung ganz Italiens begannen sie grosse Strassen in der Ebene und in Tälern zu bauen und längs dieser Strassen neue Siedlungen und Städte anzulegen, immer an strategisch und verkehrstechnisch wichtigen Orten, ohne gross an die Gesundheit der Orte zu denken.

Ein Beispiel dafür ist Florenz, das als Kolonie für Cäsars Veteranen nach 50 v.u.Z. gegründet wurde und zwar im Zusammenhang mit dem Bau der Strasse zwischen Aretium (Arezzo) und Bononia (Bologna). Während die alte Etruskerstadt in dieser Gegend, Faesulae (heute Fiesole) sich auf einem Berg in etwa 300 Meter Höhe nördlich über den Arno erhebt, entstand die Kolonie Florentia, im Arnotal, ganz nahe am Fluss, an einem Ort, der alles andere als „gesund“ gelten konnte. Noch heute ist es in Florenz im Sommer häufig schwül, und die Stadt ist oft durch das plötzliche Anschwellen des Arno von Überschwemmungen bedroht.

Die Wahl des Standortes der Kolonie Florentia erfolgte eindeutig aus logistischen Gesichtspunkten. Hier trafen drei Strassen zusammen: die aus Rom kommende Via Cassia und zwei alte Etruskerstrassen, von denen die eine nach Volterra, die zweite nach Pisa und ans Meer führte. Und genau diese logistisch und strategisch vorteilhafte Lage erwies sich dann später als das entscheidende Moment für das wirtschaftliche und politische Gedeihen der Stadt. Der Name Florentia (die Blühende) war also nicht schlecht gewählt, denn später wurde Florenz ein Zentrum des internationalen europäischen  Handels.

Eine wenig gesunde Lage hat auch das heutige Terni in Umbrien, das in römischer Zeit Interamna hiess. Der vermutlich schon im 7. Jahrhundert v.u.Z. von den Umbrern angelegte Ort wurde um etwa 290 v.u.Z. römisch. Die Stadt liegt im Tal des Flusses Nera (Nar), am östlichen Zweig der alten Via Flaminia, die damals von Rom nur bis Rimini (Ariminium) führte. Der Kessel von Terni (Conca ternana) ist heute noch bekannt für seine extrem schwülen Sommer.

Man kann also sagen, dass bei der Wahl neuer römischer Siedlungsstandorte logistische und strategische Gesichtspunkte überwogen. Diese haben sich jedoch später oft vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung der Städte erwiesen – wie im Falle von Florenz. Die Gesundheit eines Ortes war ein eher sekundäres Kriterium bei der Standortwahl, auf jeden Fall war sie in der Praxis sehr viel weniger wichtig als für Vitruv.

Wir kennen mehrere Fälle, in denen die Römer versucht haben, die Gesundheit der Standorte durch Meliorationen künstlich zu verbessern, zum Beispiel durch die Entwässerung versumpfter Gebiete. Oft waren diese Bemühungen von Erfolg gekrönt, doch in der Endzeit des Kaiserreiches und nach den häufigen Barbareneinfällen, fehlte vielfach die Kraft und das Geld, um die aufwendigen Unterhaltsarbeiten an diesen Werken weiterzuführen, mit dem Ergebnis, dass das Land aufs Neue versumpfte und erneut die Malaria um sich griff. Verschiedene römische Städte wie Aquileia mussten aus diesem Grund aufgegeben werden.

Orientierung der Strassen und der Häuser

Das Wort „orientieren“ bedeutet wörtlich „nach Osten ausrichten“ (lat. oriens = Osten). „Ex oriente lux” heisst es, „im Osten geht das Licht (die Sonne) auf“. Osten ist genau dort, wo am Tag der Tagundnachtgleichen am Morgen die Sonne am Horizont erscheint.

Columella, ein römischer Schriftsteller der Bücher über Landwirtschaft geschrieben hat, unterscheidet sogar drei verschiedene Osten: den oriens aequinoctialis, den Aufgangspunkt der Sonne am Tag der Tagundnachtgleichen (21. März, 23. September), also den genauen geographischen Osten; den oriens aestivalis, den Aufgangspunkt am Tag der Sommersonnenwende (21. Juni), etwa Nordosten; und den oriens brumalis, den Aufgangspunkt am Tag der Wintersonnenwende (22. Dezember), etwa Südosten.

Das, was im Zusammenhang mit dem klimagerechten Bauen vor allem interessiert, ist die Relevanz von Klima und Sonne bei der Anlage der römischen Stadtgrundrisse und Stadtstrassennetze.

Genau wie die Griechen, gaben die Römer neuen Städten orthogonale Stadtgrundrisse, das heisst Grundrisse mit rechtwinklig sich schneidenden Haupt- und Nebenstrassen und rechteckigen Häuserblöcken (oft insulae genannt). Die ersten, die in Italien den orthogonalen Stadtgrundriss von den Griechen übernahmen und anwandten, waren allerdings nicht die Römer, sondern die Etrusker. Sie haben diesen Stadtplan wahrscheinlich kennengelernt als sie im 6. Jahrhundert v.u.Z. einen Teil Kampaniens kolonisierten und somit in griechisches Einflussgebiet vordrangen.

Allerdings kennen wir nur eine etruskische Stadt, die nach orthogonalem Schema gebaut ist. Es handelt sich um die Stadt auf der Ebene von Misanello, in der Nähe des heutigen Marzabotto, im Tal des Reno südlich von Bologna. Die Stadt wurde in der Mitte des V. Jahrhunderts v.u.Z. gegründet und hiess vielleicht Misa. Sie hatte kein langes Leben. Schon um 350 v.u.Z. wurde sie nach einer Invasion der Kelten aufgegeben. Die ausgegrabenen Reste der Stadt heute besichtigt werden können.

Grundriss des etruskischen Marzabotto (Misa)
 
Das Schema dieser etruskischen Stadt ähnelt dem der griechischen Kolonien Süditaliens: eine Aufteilung in langgestreckte, rechteckige Häuserblöcke zur Aufnahme von ein- bis zweigeschossigen Reihenhäusern. Zum Unterschied zu den Blöcken in den griechischen Kolonialstädten haben die Häuserzeilen in Marzabotto jedoch nicht Ost-West-Richtung, sondern verlaufen genau in Nord-Süd-Richtung.

Die später von den Römern angelegten orthogonalen Stadtgrundrisse sind jedoch völlig anders aufgeteilt. Die Häuserblöcke haben sehr unterschiedliche Proportionen, die vom Quadrat bis zum langestreckten Rechteck reichen.

In den griechischen Städten sind die Häuserblöcke langgestreckt und man begreift sofort in welche Richtung die Häuserzeilen orientiert sind. In den römischen Städten ist man bezüglich der Orientierung der Häuser wesentlich unsicherer, denn diese bilden keine Zeilen. Ein Häuserblock konnte ein einziges Baugrundstück bilden wie zum Beispiel in Timgad, oder in verschiedenster Weise parzelliert sein. Bei den römischen Stadtgrundrissen lässt sich keine Vorliebe für ein bestimmtes Teilungsmuster feststellen. 

 
Augusta Taurinorum (Turin)

Unsere Kenntnisse über die ursprüngliche, geplante Teilung der Häusergevierte, oft insulae genannt, ist sehr begrenzt, nicht zuletzt weil der grösste Teil der von den Römern gegründeten Städte bis heute fortbesteht und die Mauern aus römischer Zeit tief unter vielen späteren Bebauungsschichten liegen. Unsere besten Kenntnisse von römischen Stadtgrundrissen stammen vorwiegend  aus Städten, die schon im Altertum aufgegeben und neuerer Zeit ausgegraben wurden. Dazu gehört eine Reihe von Städten in Nordafrika (Timgad, Leptis Magna, Dougga usw.), in Italien sind es hauptsächlich Pompeji, Herculaneum und Ostia und nördlich der Alpen Augusta Raurica und Aventicum in der Schweiz. Natürlich kennen wir auch die Strassennetze anderer römischer Städte, in Deutschland zum Beispiel, diejenigen von Köln und Trier aber meistens nur ungefähr, so wie sie sich aufgrund von punktweisen Ausgrabungen im Stadtraum rekonstruieren lassen.

 
Timgad in Algerien

Man muss natürlich auch bedenken, dass in den antiken Städten mit orthogonalem Grundriss die Ausrichtung der Strassen nur wenig Einfluss auf die Besonnung der ursprünglich ein- oder zweigeschossigen Häuser und Wohnungen hatte. Die einzelnen Räume dieser Häuser erhielten Licht und Sonne über einen Innenhof, so dass die Menge an Licht in erster Linie von der Grösse dieses Hofes abhing. Die Besonnungsverhältnisse verschlechterten sich dann mit der Zeit als man immer höhere Häuser baute.

Ausschluss der Winde

Vitruv widmet dem Thema der “richtigen” Orientierung der Stadtstrassen ein ganzes Kapitel seines Werkes, aber es geht ihm nicht um Sonne und Licht, sondern um den Ausschluss ungesunder und lästiger Winde aus dem Stadtraum. Zum Thema der Ausrichtung der Strassen nach den Himmelsrichtungen schreibt er Folgendes (3):

„Nach Anlage der Stadtmauern folgt innerhalb dieser die Einteilung des Baugeländes und die Ausrichtung der Haupt- und Nebenstrassen nach den Himmelsrichtungen. Diese aber werden richtig ausgerichtet sein, wenn aus den Nebenstrassen auf kluge Weise die Winde ausgeschlossen werden. Wenn diese (Winde) kalt sind, tun sie weh, wenn sie warm sind, lassen sie kränkeln, wenn sie feucht sind, schaden sie (der Gesundheit). Daher scheint man diesen Fehler vermeiden und abwenden zu müssen, damit nicht geschieht, was in vielen Städten einzutreten pflegt. Z.B. ist auf der Insel Lesbos die Stadt Mytilene prächtig und geschmackvoll gebaut, aber nicht klug angelegt. Wenn in dieser Stadt der Südwind weht, erkranken die Menschen, weht der Nordwestwind, dann husten sie, weht der Nordwind, werden sie wieder gesund, aber in den Neben- und Hauptstrassen können sie wegen der strengen Kälte nicht sehen bleiben“.

In diesem Zusammenhang beschreibt Vitruv ausführlich ein geometrisches Verfahren zur Konstruktion einer achteckigen Windrose, mit deren Hilfe sich die „richtige“ Orientierung der Stadtstrassen ermitteln lässt (4).  Die untenstehende Figur zeigt das Ergebnis dieser Methode. Es ist ein Achteck, in dem der orthogonale Grundriss der Stadt so eingeschrieben ist, dass keine der Strassenachsen auf eine der Ecken des Achtecks weist. Das orthogonale Strassennetz ist um 22,5° gedreht, so dass die Strassen in NNW-SSO-Richtung bzw. in ONO-WSW-Richtung verlaufen. Die Methode zur Ausrichtung des städtischen Strassennetzes im Hinblick auf den Ausschluss der störenden Winde aus dem Stadtraum erscheint wenig realistisch, weil die Winde nicht unbedingt aus einer der acht Richtungen der Windrose wehen. Mithilfe einer Windrose lässt sich nur die Windrichtung bestimmen und somit auch die Richtung der an einem bestimmten Ort vorherrschenden Winde.

Ideale Orientierung der Strassen nach Vitruv

In der Tat findet man eine ungefähre Ausrichtung der Strassennetze, welche der von Vitruv vorgeschlagenen entspricht, nur in wenigen römischen Städten, so in Aosta (23°), Augusta Bagiennorum (23°), Minturnum (23°), Ostia (21°) Aquileia (19°) und Emona (19°) (5).

Die Theorie Vitruvs bezüglich der optimalen Ausrichtung der Stadtstrassen geht wahrscheinlich auf einen griechischen Text von Andronikus aus Kyrrhos zurück. Dieser Architekt hatte um 100 v.u.Z. in Athen einen achteckigen „Turm der Winde“ gebaut, eine Art meteorologisches Observatorium, der es gestattete die Windrichtung und Windhäufigkeit festzustellen. Dieser auch „Uhr des Andronikos“ genannte Turm steht heute noch am Rande der römischen Agora von Athen. In seinem Inneren befand sich eine Wasseruhr (clessidra) und auf jeder der acht Seiten stand der Name des entsprechenden Windes: borea (N), kaikias (NO), euro (O), apeliote (SO), noto (S), lips (SW), zefiro (W) e skiron (NW).

 
Der Turm der Winde am Rande der Römischen Agora in Athen

Der Ausschluss lästiger Winde aus dem Stadtraum ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt der Stadtplanung, aber eine Stadt braucht auch eine gute Durchlüftung wie Aristoteles anmerkt.

Besonnung

Trotz der Wichtigkeit, die Vitruv der Frage der Winde beimisst, so vertritt er jedoch auch die Meinung, dass eine Stadt weder nach Süden, noch nach Norden schauen solle, sondern nach einer „gemässigten“ Richtung, um abnorme Temperaturschwankungen zu vermeiden. Vitruv (6) empfiehlt den Architekten ausdrücklich das Studium der Astronomie, damit diese in der Lage sind, das Problem der „richtigen“ Orientierung mit grösstem Sachverstand angehen können.

Gaetano Vinaccia, ein italienischer Architekt, der sich in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Problem der Orientierung im römischen Städtebau beschäftigt hat, schreibt (7), dass der römische Städtebau praktischen Überlegungen folgte, und dass in den orthogonalen Stadtplänen die Strassen so ausgerichtet gewesen seien, dass sie die lästigen Winde ausschlossen und im Winter den Gebäuden ein Maximum an Besonnung garantierten. Um den Gebäuden im Winter ein Maximum an Sonne zu garantieren, hätten diese allerdings nach Süden ausgerichtet sein müssen, und das waren sie nur selten, wenn man die orthogonalen Grundrisse römischer Städte genau untersucht.

Der gleiche Autor (8) ist der Meinung, dass in Italien „die Orientierungen der Gebäude und der Räume ausschliesslich nach „heliothermischen" Gesichtspunkten erfolgen sollten“. „Heliothermisch“ nennt er den Umstand, dass die täglichen Temperaturen nicht zur Mittagszeit am höchsten sind, wenn die Sonne im Zenit steht, sondern einige Stunden später, wenn die Sonne gegen Südwesten gewandert ist, und dass man diesem Umstand bei der Projektierung von Bauwerken Rechnung tragen muss. Der Autor schliesst daraus, dass das Strassennetz eines orthogonalen Stadtplans nie Nord-Süd-Richtung, bzw. Ost-Westrichtung haben sollte, sondern seine Achsen in Nordost-Südwest, bzw. Nordwest-Südost-Richtung verlaufen sollten. Dies sei für Italien die richtige Ausrichtung und würde auch in Bezug auf die Winde stimmen. Auch die Ausrichtung der warmen Bäder in den Thermen nach Südwesten sei aus „heliothermischen“ Gründen erfolgt und nicht weil die Badezeit am Nachmittag war wie Vitruv hervorhebt.

Vinaccia glaubt entdeckt zu haben, dass „die Strassennetze sehr vieler italienischer Städte um etwa 30° von der Nord-Süd, bzw. von Ost-West-Richtung abgedreht sind“ und dass diese Drehung zu einer ausgeglichenen Verteilung der Besonnung führt, und zwar in der Weise, „dass selbst im Winter die Nordseiten der Gebäude in den Genuss von etwas Sonne kommen“ (9). Das diese Aussage ist nicht haltbar, was man leicht feststellen kann, indem man die tatsächliche Orientierung der orthogonalen Strassennetze römischer Städte untersucht.

In einer Stadt hängt die Besonnung einzelner Gebäude nicht zuletzt von der Breite der Strassen und der Höhe der Bauwerke ab, das heisst vom Verhältnis beider Grössen. Die Strassen in den römischen Städten hatten Breiten von 10, 15 und 20 Fuss (etwa 3, 4,5 und 6 Meter) und nur die Hauptstrassen waren breiter. Oft erschienen sie jedoch enger infolge der Höhe der Häuser oder waren tatsächlich schmaler, weil man verbotenerweise über die Grundstücksgrenzen hinaus baute.

War die Bebauung jedoch nicht höher als zwei- oder dreigeschossig, garantierten diese Strassenbreiten eine ausreichende Besonnung der oberen Geschosse auch im Winter. Die höchsten Gebäude, etwa diejenigen, die in der Kaiserzeit in Ostia gebaut worden sind, hatten bis zu fünf Stockwerken uns lagen hauptsächlich an Plätzen oder breiteren Strassen. Aber einige dieser Gebäude zeigen deutlich, dass ihre Erbauer nie an die Besonnung der Wohnungen gedacht haben. Zum Beispiel gibt es Ostia im Viertel der „Häuser mit Garten“ zwei Wohnblöcke, die so orientiert sind, dass die Hälfte der Wohnungen nach Süden, die andere Hälfte nach Norden blickt. Eine Ausgeglichene Besonnung der Wohnungen war also nicht die Absicht des Architekten.

Wenn in Städten, die in Stadtmauern eingeschlossen sind, neue Wohnungen und Arbeitsstätten notwendig werden, neigt man dazu in die Höhe zu bauen und, folglich nimmt die Besonnung und die Belichtung der einzelnen Wohnungen unausweichlich ab. In einer Grossstadt wie Rom mit ziemlich engen Strassen und Häusern, deren Höhe bis zu sechs und sieben Stockwerke betrug, war an eine ausreichende Besonnung überhaupt nicht zu denken.

Die lex Iulia de modo aedificarum , ein Baugesetz aus der Zeit des Augustus begrenzte die Höhe der Gebäude in Rom auf 70 Fuss (etwa 21 m) oder auf sechs bis sieben Geschosse (10), allerdings nicht wegen der Belichtung der Wohnungen, sondern wegen der Einsturzgefahr, denn der Einsturz von Gebäuden war keine Seltenheit. Unter Traian wurde diese Höhe auf 60 Fuss (etwa 18 m) oder fünf bis sechs Geschosse herabgesetzt (11). Die Bauwerke in anderen Städten waren wohl nicht so hoch wie die in der Hauptstadt. In Ostia hatten die Häuser im allgemeinen zwei oder drei Stockwerke, einige insulae hatten bis zu drei Obergeschosse über einem sehr hohen Erdgeschoss.

Die Bestimmung der Ostrichtung

Bei der Centuriation, das heisst bei Aufteilung des Landes in gleichgrosse Flächeneinheiten sowie bei der Anlage von Stadtgrundrissen legten die römischen Vermessungstechniker (mensores)  zunächst die Hauptachsen des orthogonalen Gitters fest. Als Hauptachse galt der in Ost-Westrichtung verlaufende decumanus maximus, der in der Stadtmitte von dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden cardo maximus gekreuzt wurde. In der Stadt folgten dem decumanus maximus und dem cardo maximus die städtischen Hauptstrassen. Parallel dazu verliefen die Nebenstrassen.

Die römischen Vermesser, man weiss nicht ob aus Bequemlichkeit oder aus Tradition, bestimmten die Ostrichtung nach der aufgehenden Sonne. Als Osten galt ihnen der Punkt an dem die Sonne am Horizont erschien und zwar am Tag, an dem sie mit der Vermessung begannen. Das geht jedenfalls aus einem Text Frontins (12) hervor, einem Ingenieur des I. Jahrhunderts u.Z. (30-104 u.Z.).

Die Anwendung dieser Regel scheint Bestätigung zu finden in der unterschiedlichen Ausrichtung der verschiedenen Centuriationen. Man findet benachbarte römische Fluraufteilungen, die unterschiedliche Ausrichtung haben und nimmt deshalb an, dass sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten. Wenn das richtig ist, dann lässt sich an der Ausrichtung des decumanus maximus der Tag bestimmen, an dem diese Achse angelegt wurde. Die Ausrichtung wäre dann so etwas wie ein Fingerabdruck der Vermessung. 

Basierend auf Frontin, nimmt man an, dass die römische Kolonie Augusta Raurica, unweit des Rheins, im Gebiet des heutigen Kantons Baselland, am 21. Juni  gegründet worden sei, denn der decumanus maximus weist auf den Punkt (oriens aestivalis), an dem die Sonne an diesem Tag aufgeht (14).

Der Brauch, die Ost-West-Hauptachse nach dem Punkt des Sonnenaufgangs festzulegen ist auch bei der Gründung christlicher Kirchen beachtet worden. Ich selbst habe das an umbrischen Kirchen festgestellt, die dem heiligen Lorenz (San Lorenzo) gewidmet sind, dessen Feiertag auf den 10. August fällt. Die Regel schreibt vor, dass der Altar im Osten stehen soll. Also muss man sich beim Bau einer Kirche zuerst über die Ostrichtung klar werden. Offensichtlich begann man die Arbeiten an den dem Heiligen Lorenz gewidmeten Kirchen am Tag des Patrons mit einem Fest und legte dabei die Ostrichtung nach dem Sonnenaufgang fest.

Schlussfolgerung

Beim Betrachten der orthogonalen römischen Stadtgrundrisse kommen einem Zweifel, dass diese unter besonderer Berücksichtigung der Winde und der Besonnung geplant worden sind. Die Orientierung dieser Grundrisse ist so unterschiedlich, dass es schwer fällt zu glauben, dass die Besonnung bei ihrer Ausrichtung eine besondere Rolle gespielt hat oder prioritär war. 

Man muss sich jedoch auch vergegenwärtigen, dass gute Besonnung und Durchlüftung nur zwei von vielen Kriterien der Stadtplanung sind, die die Ausrichtung der Strassen beeinflussen können. Andere, meist wichtigere Einflussgrössen sind die Topographie des Gebietes, der Verlauf vorhandener Flussläufe und Strassen sowie, im Fall römischer Stadtplanung, auch die die Stadt umgebende Centuriation (Aufteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen in Grossquadrate zum Zweck der Erstellung eines Katasters). 

Heute sind die Faktoren, welche zu einer bestimmten Ausrichtung der Strassen in den römischen Städten geführt haben, nur selten klar erkennbar. Was die „richtige“ Orientierung betrifft, so haben die römischen Vermesser selbst verschiedene Theorien vertreten. Nach einer dieser Theorien sollten die Stadtstrassen die gleiche Orientierung haben, wie die Centuriation des Umlandes. Das erscheint ziemlich akademisch, hat aber einen plausiblen Grund. Wenn der gemeinsame Vermessungsmittelpunkt in der Stadt liegt, kann er sicherer verankert werden als auf dem flachen Land, zum Beispiel an einem Gebäude.

Reste von Centuriationen sind vielerorts noch heute an alten Flur- und Grundstücksgrenzen, Wegen und Strassenverläufen erkennbar, zum Beispiel in der Poebene und im Schweizer Mittelland. Dass die Ausrichtung von Stadtstrassen der Ausrichtung dieser Centuriationen folgt, ist ein äusserst seltener Fall, denn die Topographie des Geländes, auf dem die Stadt angelegt wurde, scheint die Ausrichtung der Stadtstrassen viel stärker beeinflusst zu haben als andere Faktoren.

Imola an der Via Emilia
Die Centuriation ist noch gut im Wegenetz erkennbar

Viele neue römische Städte und Siedlungen sind allerdings zusammen mit dem Bau grosser Römerstrassen entstanden. Und deren Linienführung hat dann auch die Ausrichtung der Stadtstrassen bestimmt, denn die Überlandstrasse wurde in der Stadt zur städtischen Hauptstrasse. Solche Situationen finden wir zum Beispiel in der norditalienischen Region Emilia-Romagna, wo sich die Centuriation an die Via Emilia anlehnt, die am Fusse des Apennin von Südosten nach Nordwesten verläuft (Abweichung von der Ost-West-Achse 28°). Diese Ausrichtung der Überlandstrasse hat auch die Ausrichtung der Stadtstrassen der Orte bestimmt, die an der Via Emilia liegen, darunter diejenigen von Forum Corneli (Imola), Forum Livi (Forlì), Forum Popoli (Forlimpopoli) und Faventia (Faenza).

Anmerkungen

(1) Vitruv. de arch., I, IV
(2) Vitruv, de arch., I, IV, 1
(3) Vitruv, de arch., I, VI, 1
(4) Vitruv, de arch., I, VI, 12-13
(5) In Dougga (Tunesien) ist eine grosse Windrose mit 12 Winden erhalten
(6) Vitruv, de arch., I, I
(7) Vinaccia G.: Il problema dell’orientamento nell’urbanistica dell’epoca romana, Quaderni dell’Impero. [1] Istituto di Studi romani, Roma 1939
(8) Vinaccia, G. op.cit., S. 39
(9) Vinaccia, G: op.cit., S. 225 ff.
(10) Carcopino J.; La vita quotidiana a Roma, Roma-Bari 2008, S.34; Strabo, V, 3, 7
(11) Aur. Vict., Epit., 13, 13
(12) Front. 31,4. Hyg. Grom. 170,3; 182,8; 183,13
(13) Columella. De re rustica, Lib.I, cap. VI
(14) Laur-Belart, R.: Führer durch Augusta Raurica, op. cit., S. 10

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