In unserer Abhandlung des klimarechten
Bauens im griechischen und römischen Altertum haben wir auf das Thema „Theater“
nicht verzichten wollen, denn man muss annehmen, dass diese nicht überdachten
Bauten unter Berücksichtigung der Besonnung und des Klimas projektiert worden
sind. Die Zuschauer hätten von der Sonne geblendet werden und die im Halbrund
angeordneten Zuschauerplätze hätten unter der Sonneneinstrahlung übermässig
heiss werden können.
Das griechische Theater (theatron) hat seinen Ursprung in
Festspielen zu Ehren des Gottes Dionysos, die seit 534 v.u.Z. bezeugt sind. Sie
wurden auf einem offenen Platz im Heiligtum des Dionysos Eleutherios in Athen abgehalten, das sich am Südosthang
der Akropolis befand. Das Bühnenbauwerk wurde ursprünglich aus Holz errichtet
und später wieder abgebaut. Erst unter der Finanzverwaltung des Lykurgos (338-327 v.u.Z.) wurde das
erste steinerne Theater angelegt, das noch im grossen und ganzen erhalten ist.
Die Orchestra,
der Tanzplatz des Chores ist hier halbkreisförmig. An der Rundung fangen die
Sitzstufen der Zuschauer an, die nach oben ansteigend aus dem Felsen
herausgehauen sind und den Zuschauerraum, die Cavea, bilden. Jede Stufe dient als Sitz und ist so breit, dass der
eine Stufe höher Sitzende seine Füsse darauf ruhen lassen kann. An die gerade
Seite der Orchestra schliesst sich
die Skené an, die Bühne. Dahinter steht das Proskenion,
die Bühnenrückwand. Die Schauspieler traten durch zwei Türen auf, die die Skené flankierten. Im Laufe ihrer
Entwicklungsgeschichte wurde die am Anfang sehr einfache Bühnenrückwand immer
prächtiger gestaltet.
Das Theater des Dionysos in Athen ist
Prototyp und Vorbild für alle Theater in den griechischen Kolonialstädten des
Mittelmeerraumes geworden. Das Theater diente nicht nur der Aufführung von
Schauspielen, sondern war ein Ort, an dem man sowohl religiöse Feste feierte
als auch politische Versammlungen und andere Veranstaltungen abhielt.
Dionysos-Theater in Athen (Bild: Wikipedia, BishkekRocks)
Wann in Rom die ersten Theaterspiele aufgeführt
wurden, weiss man nicht genau. Sicher ist, das griechische Schauspiele in Rom
ab 240 v.u.Z. zur Aufführung kamen. Eine eigene römische Theatertradition ist
seit dem Ende des III. Jahrhunderts v.u.Z. bezeugt (Plautus, Terentius). Der erste Theaterbau in Rom, von dem wir
Kenntnis haben (theatrum et proscenium ad Apollinis), war eine Holzkonstruktion, die von M. Emilius
Lepidus, dem Organisator der Spiele, im Jahr179 v.u.Z. errichtet
wurde. Für das Jahr 174 v.u.Z. ist der Bau eines Theaters durch die Ädilen Fulvius
Flaccus und Q. Postumius Albinus bezeugt. Im Jahr 154 v.u.Z. liessen die
Zensoren M. Valerius Messalla e C. Crassus Longinus ein Theater bauen, das
jedoch P. Scipio Nasica sofort abgebrechen liess, weil dieser befürchtete, die Schauspiele
könnten die Moral der Römer kompromittieren, und der Senat verbot tatsächlich
den Besuch der Aufführungen. Rom erhielt sein erstes steinernes Theater erst
sehr viel später, nämlich im Jahr 55 v.u.Z. durch Pompejus. Danach entstanden das Theater des Balbus im Jahre 13.
V.u.Z. und im Jahre 11 v.u.Z. das Theater des Marcellus, dessen Bau schon unter
Cäsar begonnen worden war. Seit Augustus und Tiberius erhielten auch andere
römische Städte ein Theater und wurde das Theater zur Standardeinrichtung
römischer Städte.
Weil die Theater sich in den römischen
Städten zu verbreiten begannen, behandelt Vitruv in seinem Werk (1) auch die
Projektierung und den Bau von Theatern. Er schreibt:
„Nach
der Anlage des Forums, muss man für die Aufführung der Spiele an den Festtagen
der unsterblichen Götter einen möglichst gesunden Platz für das Theater
aussuchen nach den Grundsätzen wie sie im ersten Buch über die Auswahl eines
gesunden Platzes für die Stadt genannt sind. Denn während der Aufführungen
sitzen die Zuschauer mit ihren Frauen und Kindern ununterbrochen still und
erfreuen sich am Spiel, und ihre bewegungslosen Körper haben offene Poren, in
die der Wind eindringt, der, wenn er aus sumpfigen und anderen ungesunden
Gegenden kommt, in ihre Körper schädliche Dünste eindringen lässt. Wenn daher
der Platz für das Theater sorgfältig ausgewählt wird, wird man die
gesundheitsschädlichen Einflüsse vermeiden“.
Folgt man Vitruv (2), muss das Theater nicht nur an einen
gesunden Platz liegen, sondern auch richtig orientiert sein:
„Aber man
muss auch dafür sorgen, dass der Zuschauerraum nicht den Einflüssen von Süden
her ausgesetzt ist. Wenn nämlich die Sonne dessen Halbrund erfüllt, dann wird
die Luft, die in diesem keine Möglichkeit hat zu zirkulieren, heiss, und wenn
sie glühend heiss brennt, kocht und zieht sie aus den Körpern die Feuchtigkeit
heraus. Deshalb muss man ganz besonders Stellen meiden, die durch diese Einflüsse
gesundheitsschädlich sind, und muss gesunde Plätze aussuchen“.
Die Architektur
Die griechischen Theater wurden hauptsächlich an felsigem Hängen gebaut,
weil man dort die Sitzstufen für die Zuschauerplätze direkt aus dem Gestein
herausarbeiten und zugleich Material für den Bau von Szene und Szenenrückwand gewinnen
konnte. Die römischen Theater wurden hingegen
meist auf ebenen Gelände errichtet, denn die neuen römischen Städte lagen meist
in ebenem Gelände. Deshalb musste man beim Theaterbau das ansteigende Halbrund der
Zuschauersitze eigens errichten.
Rom, Marcellus-Theater (Bild: wikipedia)
Die römischen Theater waren deshalb enorme Bauten, die oft allseitig frei
im Stadtraum standen. In den römischen Städten gab es für die Theater keinen
kanonisch festgelegten Platz; die Theater finden wir an verschiedenen
Standorten. Manche Theater stehen in der Stadtmitte, andere am Stadtrand nahe
der Mauer, in einigen Fällen sogar vor den Stadtmauer.
War das Theater ein freistehendes Bauwerk, musste man seine Fassaden besonders
architektonisch und künstlerisch gestalten. Diese Fassadenarchitektur
inspirierte sich meist am Aussehen der Säulenhallen und gliederte die Fassaden
in einzelne Stockwerke. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Architekten der
Bühnenrückwand (frons scenae), der sie oft das Aussehen von
mehrgeschossigen Gebäuden mit dekorativen Bögen, Pfeilern, Säulen und Fenstern gaben.
Bei den Aufführungen begann man Maschinen einzusetzen (deus ex macchina) und auch der
Bühnenvorhang erscheint. Er wird bei Spielbeginn heruntergelassen und
verschwindet in einem besonderen Spalt im Boden.
In den römischen Theatern bedurften die Zuschauersitze einer
Unterkonstruktion aus Bogen und Gewölben. Die Theaterbesucher erreichten ihre
Plätze über Korridore (praecinctiones) und Treppen. Der Zuschauerraum (cavea)
war einzelne Sektionen geteilt, sogenannte Keile (cunei). Die oberen Sitzreihen waren oft überdacht wie Säulenhallen.
Dort waren auch Seile verankert, damit man im Sommer, wenn es heiss war, über
den Zuschauern mithilfe von Winden schattenwerfende Segel (velarium) spannen konnte.
Die Orientierung
Man könnte sich vorstellen, dass die Ausrichtung des Zuschauerhalbrunds
der Theater derart gewesen sei, dass die Zuschauer nicht von der Sonne geblendet
wurden. Wenn man das gewollt hätte, hätten sich die Zuschauerräume nach Norden
öffnen müssen. Ein Blick auf die römischen Theater in Italien und in den
Provinzen des Reiches zeigt jedoch, dass das nicht der Fall war. Tatsächlich
lassen sich keine Präferenzen für eine bestimmte Orientierung feststellen.
In Italien finden wir nach Südwesten ausgerichtete Zuschauerräume in folgenden
Städten: Alba Fucens, Augusta Bagiennorum, Minturno, Verona und Rom
(Marcellus-Theater). Nach Südosten schauen die Zuschauer in Pompeji, Sepinum
und Ferentum; nach Osten in Florenz und Rom (Theater des Pompeius); nach Norden
in Lucca; nach Süden in Brescia, nach Nordwesten in Aosta, Ostia und Triest;
nach Nordosten in Turin und Luna.
In Nordafrika öffnet sich der Zuschauerraum nach Norden in den Theatern
von Gerasa und Sabratha, in den Theatern von Cuicul und Leptis Magna nach
Nordost. Im Übrigen sind die Orientierungen sehr unterschiedlich: in Timgad
gegen Westen, in Karthago gegen Südwesten, in Dougga (Tunesien) gegen Süden und
in Sufetula gegen Osten.
In
Gallien, in den Theatern von Arles und Augusta Raurica schauen die Zuschauer
nach Westen und in Aventicum nach Nordwesten.
Eine
Ausrichtung bei der die Zuschauer nach Norden blicken findet man tatsächlich in
Lucca und Sabratha, andererseits schauen sie in Brescia und Dougga genau nach
Süden.
Es scheint also nicht, dass die
Theater-Architekten den Empfehlungen Vitruv gefolgt sind. Bei den griechischen
Theatern ist zu berücksichtigen, dass deren Orientierung durch die des Felshanges
bestimmt wurde, aus dem man die Zuschauerreihen
herausbrechen konnte. Beispiele sind das Dionysos-Theater und das Odeon
des Herodes Attikos in Athen. Eine Felswand abzubauen hatte auch den
wirtschaftlichen Vorteil, dass man Baumaterial für andere öffentliche Gebäude
gewann.
In den Städten in der Ebene hingegen, wo
man die Theater in Stein oder Ziegelmauerwerk errichtete, konnte man die
Orientierung frei wählen, jedoch auch dort finden wir keine Anzeichen, dass man
den Theatern in eine von einer Regel festgelegten Ausrichtung gegeben hätte.
Natürlich konnte man in den Theatern die Zuschauer auch durch grosse
schattenspendende Segel vor der Sonne und vor Blendung schützen und folglich
sind die Bedenken Vitruvs nur zum Teil gerechtfertigt.
Man kann also feststellen, dass die Orientierung der Theater nicht im
Hinblick auf die Blendung der Zuschauer durch die Sonne oder die Erhitzung des
Zuschauerhalbrunds unter der Sonne geschah, sondern wahrscheinlich eher aus
städtebaulichen und topographischen Gesichtspunkten. Geländeneigungen und
natürlichen Geländeabbrüche konnte man ausnutzen um Erdbewegungen und
Baumaterial einzusparen. Im Übrigen waren Theater Monumental- und
Prestigebauten, die die Stadt verschönern sollten und deshalb kehrten sie wohl
der Stadt ihre Schaufassade zu.
Es gibt jedoch noch ein anderes Motiv für die Ausrichtung mancher Theater.
Der Zuschauer blickte zur Bühne und zur Bühnenrückwand. In der Mitte dieser
Rückwand befand sich die „porta regia“,
das königliche Portal, das manchmal so ausgerichtet war, dass der Zuschauer auf
etwas Besonderes blickte, auf ein Monument oder auf eine Naturschönheit. Man
hat den Eindruck, dass diese Theater auf diese Ausblicke ausgerichtet waren. Beispiele findet man in Ostia, in Dougga, in
Augusta Raurica, vielleicht auch in Aventicum und an vielen anderen Orten. In
Ostia blickt der Zuschauer durch die „porta regia“ auf das Forum der
Korporationen mit seinem Tempel, in Augusta Raurica auf den Tempel auf
Schönbühl, und in Aventicum auf den sogenannten Cigognier-Tempel, der genau in
der Achse des Theaters liegt (4). Eine
spezielle Aussicht hat der Zuschauer im Theater von Dougga (Tunesien). In der
Achse der „porta regia“ blickt er auf
ein 21 Meter hohes libysch-punisches
Mausoleum des 3.-2. Jahrhunderts v.u.Z., das etwas unterhalb des Theaters im Tal
des Oued Kralled liegt.
Dougga (Tunesien) - Römisches
Theater
(Foto: Uwe Wienke)
Ein besonderer Fall ist das Theater von Pompeiji, welches, zusammen mit dem
Odeon, einer Gladiatorenschule und dem Dreiecksforum, ein regelrechtes Kulturzentrum
an der Via Stabiana, bildet. Das Theaters von Pompeji stammt aus
hellenistischer Zeit und war aus einem Felshang herausgearbeitet. In römischer
Zeit hat man es dann vergrössert, so dass es bis zu 5000 Zuschauer fassen
konnte.
Hinter der Bühnenrückwand lag ein von Säulengängen umgebenen Garten, den
die Theaterbesucher vor und nach den Aufführungen benutzen konnten. Hier wurde später,
zur Zeit Neros, eine Gladiatorenschule eingerichtet. Das Odeon ist ein kleiner
Theaterbau der 1500 Zuschauer fassen konnte und diente vor allem musikalischen
und pantomimischen Darbietungen. Es stammt aus den Jahren 80-75 v.u.Z. und wurde
von den Duumviri C. Quinctius Valgus e M. Porcius gebaut, als die Stadt
römische Kolonie wurde.
Zu diesem Komplex gehören auch eine Palästra aus samnitischer Zeit und ein
Isis-Tempel, einer der am besten erhaltenen der Stadt. Er wurde nach dem
Erdbeben von 62 u.Z. wieder aufgebaut. Neben diesem Tempel lag der des Zeus
Meilichios. Dieses Kulturzentrum ist einzig in seiner Art und eines der
interessantesten städtebaulichen Ensembles aus römischer Zeit in dem man noch
den Einfluss der hellenistischen Kultur spürt (5).
Wesentlich prosaischer ist die Kombination von Theater und Handelszentrum,
die wir in Ostia finden. Das Theater dort wurde wahrscheinlich unter Augustus
gebaut und später von Septimius Severus und Caracalla erweitert. Es bot Platz
für 2700 Zuschauer. Der Haupteingang lag an der Hauptstrasse (decumanus maximus), der von Säulengängen
und Läden eingefasst war. Hinter der Bühne des Theaters lag Forum der
Korporationen, an dem die Vertretungen von 70 Handelsfirmen lagen. In der Mitte
des Forum stand ein Tempel, der der Ceres geweiht war (6). Die Säulengänge
dieses Forums standen auch den Theaterbesuchern zur Verfügung.
Anmerkungen
(1) Vitruv, de arch., V, III, 1-2
(2) Vitruv, de arch., V 3, 1 “Cum forum
constitutum fuerit, tum deorum inmortalibus diebus festis ludorum
expectationibus eligendus est locus theatro quam saluberrimus, uti in primo
libro de salubritatibus in moenium conlocationibus est scriptum. Per ludos enim
cum coniugibus et liberis persedentes delactationibus detinentur et corpora
propter voluptatem inmota patentes habent venas, in quas insidunt aurarum
flatus, qui, si a regionibus palustribus aut aliis regionibus vitiosis advenient, nocentes spiritus corporibus
infundent. Itaque si curiosius elegitur locus teatro, vitabuntur vitia”.
(3) Vitruv, de arch., V
3, 2 “Etiamque providendum est, ne impetus habeat
a meridie. Sol enim cum implet eius rotunditatem, aer conclusus curvatura neque
habens potestatem vagnadi versando confervescit et candes adurit excoquitque et
inminuit e corporibus umores. Ideo maxime vitandae sunt his rebus vitiosae
regiones possit”.
(4) Cigognier-Tempel erhielt seinen Namen von einem seiner Eckpfeiler, der
aufrecht stehend die Jahrhunderte überdauerte und lange Zeit eine Storchennest
trug. Im Mittelalter hab es sogar eine Familie “du Cigognier”. Heute ist er das Wahrzeichen von Avenches.
(5)
Maiuri, A.: Pompeji, 9. Ed., Rom (1963), S. 26-29
(6)
Calza, G. & G. Becatti: Ostia, 5. Ed., Rom (1971)
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