Klimagerechtes
Bauen im alten Rom
Das einzige Handbuch über
Architektur, das uns aus dem Altertum überliefert ist, ist das des römischen
Architekten Marcus Vitruvius Pollio, der etwa zwischen 80 bis 15 v.u.Z. gelebt
hat. Er übte seinen Beruf zur Zeit von Gaius Julius Caesar und Augustus aus. Letzterem
hat er auch sein Werk, die „Zehn Bücher über Architektur“ - De architectura
libri decem - gewidmet. Über das Leben Vitruvs ist sehr wenig bekannt. Aus
seinem Werk geht hervor, dass er eine Markthalle in Fano (Fanum Fortunae) gebaut hat.
Eine
italienische Ausgabe von Vitruvs De
architectura aus dem Jahre 1521, übersetzt und illustriert von Cesare
Cesariano
Berücksichtigung
des örtlichen Klimas
Vitruv hat das gesamte sechste Buch seines
Werkes der Projektierung von Wohnbauten gewidmet, d.h. von herrschaftlichen
Häusern, von denen wir Reste zum Beispiel noch heute in Pompeji bewundern
können. Schon am Anfang dieses VI. Buches sagt Vitruv, dass man Wohnungen unter
Berücksichtigung des örtlichen Klimas anlegen müsse, und er erläutert das
Prinzip wie folgt (Vitruv, de arch. VI, I, 1-2):
„Diese
(Gebäude) werden dann richtig angelegt sein, wenn man sich zuerst einmal Rechenschaft
darüber gibt, in welchen Gegenden oder Breitengraden sie errichtet werden. Denn
es scheint opportun, dass die Häuser in Ägypten in einer gewissen Weise gebaut
werden müssen, in einer anderen in Spanien, nicht in der gleichen Weise in
Pontus, wieder anders in Rom und ebenso in den übrigen Ländern und Landstrichen
mit ihren besonderen klimatischen und geographischen Verhältnissen; denn in der
einen Gegend wird die Erde von der nahen Sonnenbahn beeinflusst, in einer
anderen ist diese weiter entfernt, in einer mittleren befindet sie sich im
richtigen Abstand“.
„So wie das Universum von der Natur hinsichtlich der Erde organisiert
ist, durch die Neigung des Tierkreises und die Bahn der Sonne und ihrer
Verschiedenheit, so müssen auch die Gebäude in Bezug auf die besonderen
klimatischen Verhältnisse in der verschiedenen Gegenden ausgerichtet werden“.
„Im Norden ist es
notwendig, dass die Gebäude eine gewölbte Decke haben, möglichst geschlossen
und ohne Öffnungen, sowie nach den warmen Himmelsgegenden ausgerichtet sind. Im
Gegensatz dazu müssen sie in südlichen der Sonne zu liegenden Gegenden, weil von
der Hitze getroffen, offen und nach Norden und Nordosten ausgerichtet sein. So
wird man künstlich ausgleichen müssen, was die Natur an ungünstigen
Verhältnissen geschaffen hat. In anderen Gegenden muss man den Ausgleich entsprechend
der Himmelsordnung und hinsichtlich der Neigung des Universums schaffen“.
Es ist klar, dass Vitruv nicht für alle Gegenden
Empfehlungen zur Orientierung von Gebäuden geben konnte, weil die klimatischen
Verhältnisse von Ort zu Ort verschieden sind, zumal in Italien, das sich
zwischen den Alpen und Kalabrien über mehrere Klimazonen erstreckt. Deshalb
sagt Vitruv, es gehöre zu den Aufgaben des Architekten, sich über die örtlichen
Klimaverhältnisse zu informieren bevor er an den Entwurf eines Gebäudes geht.
Vitruv (de arch., I, I, 10) empfiehlt den Architekten
ausdrücklich das Studium der Astronomie, um mithilfe dieser Kenntnisse das
Problem der Ausrichtung der Gebäude nach den Himmelsrichtungen unter
Berücksichtigung des Klimas sachgerecht angehen zu können. Er räumt aber auch
ein, dass die richtige Orientierung der Gebäude und der einzelnen Räume je nach
ihrer Funktion und den klimatischen Anforderungen auf dem Lande einfacher ist,
als in den engen Verhältnissen einer Stadt (Vitruv, VI, VI, 6).
In Anbetracht der verschiedenen Anforderungen
behandelt Vitruv das Thema „Wohnhaus“ in
zwei getrennten Abschnitten: im ersten Abschnitt spricht er von der städtischen
Wohnung, im Zweiten die ländlichen Bauten (villae
rusticae). Man darf jedoch nie vergessen, dass Vitruv sich nur auf den Bau
von herrschaftlichen Wohnungen bezieht, auf die Wohnungen von Senatoren,
Rittern und reichen Kaufleuten, also Personen, die mit dem Bau ihres Hauses
einen Architekten beauftragen und nicht irgendeinen Bauunternehmer. Der grösste
Teil der Römer lebte jedoch in sehr viel einfacheren Verhältnissen, in
Wohnungen, die von Bauunternehmern und Spekulanten gebaut worden waren.
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