Caius Plinius Caecilius Secundus, besser bekannt als Plinius der Jüngere, wurde
im Jahr 61 oder 62 u.Z. in Novum Comum geboren, dem heutigen Como am
gleichnamigen See in Norditalien. Er war der Sohn des L. Caecilius Secundus und
der Plinia, einer Schwester des Plinius, dem Autor des berühmten Werkes Naturalis Historia. Der Vater verstarb
früh und es scheint, dass die Mutter starb bevor der Sohn seine Karriere als
Politiker begann. Er wurde deshalb von seinem Onkel C. Plinius adoptiert von
welchem er den Namen übernahm.
Sowohl
die Caecilier als auch die Plinier waren reiche Leute und, weil er keine
Geschwister und auch der Onkel keine Kinder hatte, erbte der junge Plinius ein
beträchtliches Vermögen. Sein Onkel liess ihn in Rom an der Schule des
Quintilian studieren. Dank des Einflusses seines Onkels begann er seine
politische Karriere im Alter von zwanzig Jahren als Decemvir. Leistete dann ein
Jahr Militärdienst in Syrien und im Alter von etwa dreissig Jahren war er schon
Quästor, eine wichtige Etappe auf dem Wege zum Senator. Es folgten das
Tribunat, die Prätur, die Leitung des militärischen Ärars und das Konsulat. Etwa
im Jahr 103 u.Z. wurde Plinius zum Augur ernannt und, 103 oder 104 u.Z., zum
Kurator des Tibers, dessen Ufern und der städtischen Kanalisation. Seine
Karriere endete unter Kaiser Trajan mit der Bestellung zum Statthalter der
Provinzen Bythinien und Pontus (111-113 u.Z.). Das Datum seines Todes ist ungewiss, man nimmt an, dass er
in Nicomedia im Jahre 113 u.Z. gestorben ist.
Plinius der Jüngere
ist insbesondere durch seine Korrespondenz (Epistulae) bekannt geworden
(1). Diese umfasst 247 Briefe, die er zwischen 96 und 109 u.Z. an Freunde,
Kollegen und auch an Kaiser Trajan geschrieben hat. Am bekanntesten ist der
Brief in welchem er vom Vesuvausbruch von 79 u.Z. und von den Bemühungen seines
Onkels berichtet, den Betroffenen Hilfe zu bringen. Bei dieser Hilfeleistung
ereilte den Onkel der Tod.
Im Zusammenhang
mit unserem Thema, dem klimagerechten Bauen, sind zwei Briefe von Plinius dem
Jüngeren von Interesse, in welchen er ausführlich seine zwei Landhäuser
beschreibt, von denen eines unweit von Rom am Meer lag, das zweite in Umbrien
beim heutigen Città di Castello.
In 20er und 30er Jahren
des letzten Jahrhunderts haben H.H.Tanzer von der Columbia University (Tanzer,
H.H., The Villas of Pliny the Younger,
New York 1924) und der
deutsch-amerikanische Archäologe K.Lehmann-Hartleben (Lehmann-Hartleben,
K. Plinio il Giovane, Lettere scelte con commento archeologico,
Firenze 1936) die Kommentare zu
den Beschreibungen der zwei Villen gesammelt und eigene Interpretationen vorgelegt.
In der Sammlung von Tanzer erscheinen 25 verschiedene Interpretationen der
Villa Lauretana und zehn der Villa in Umbrien.
Für den vorliegenden Text habe ich jedoch die schönen Zeichnungen von Hans Döllgast (1891-1974) gewählt, eines deutschen, in Italien und seine Denkmäler verliebten Architekten und Graphikers. Die Zeichnungen von Döllgast habe ich bei mir zuhause in einem Heft der Zeitschrift “Heraklith Rundschau” von 1960 wiedergefunden. Das Heft ist uns als Architekturstudenten damals zu Werbezwecken verteilt worden, wobei anzumerken ist, das das Heft selbst keinerlei Werbung enthält.
Die Villa Laurentina
Seine Villa
in der Nähe Roms beschreibt Plinius in einem Brief an seinen Freund Gallus (Ep.
Buch II, Brief 17). Die Villa befand sich 17 Meilen (25 km) südlich der
Hauptstadt und man erreichte sie, wie Plinius ausführt, von Rom aus in wenigen
Stunden über die Via Laurentana oder über die Strasse nach Ostia. Er konnte sie
also selbst nach der täglichen Arbeit noch erreichen.
Für lange
Zeit nahm man an, dass man die Villa auf dem Gebiet von Castel Fusano suchen
müsse; sie befindet sich jedoch südlich der nach Ostia führenden Via Cristoforo Colombo auf dem
Grundstück des Staatsgutes von Castel Porziano, das zwischen dem antiken Laurentum
und Castel Fusano liegt. Die Villa ist gegen Südwesten aufs Meer ausgerichtet.
Und dies ist
die Beschreibung, die Plinius der Jüngere von dieser Villa gibt:
„Das Landhaus ist für seinen Zweck ziemlich geräumig und im Unterhalt nicht kostspielig. Zunächst betritt man eine einfache, doch nicht ärmliche Halle, dann kommen in Form eines D gebogene Arkaden, die einen kleinen, hübschen Hofraum einfassen. Sie bilden einen vortrefflichen Zufluchtsort bei schlechtem Wetter, denn sie sind durch Glasfenster und mehr noch durch das vorspringende Dach geschützt. Mitten gegenüber befindet sich ein freundliches Empfangszimmer, anschliessend ein recht hübscher Speiseraum, der bis an den Strand vorspringt, und wenn der Südwest das Meer aufwühlt, wird er von den Ausläufern der bereits gebrochenen Wogen bespült. Ringsum hat er Flügeltüren oder ebenso hohe Fenster und gewährt somit nach links und nach rechts und vorn Ausblick sozusagen auf drei Meere; nach hinten blickt er auf das Empfangszimmer, Arkaden, Hofraum, wieder Arkaden, dann auf die Vorhalle, auf Wälder und die Berge in der Ferne“.
Die Villa Laurentina von Plinius dem Jüngeren südlich von
Rom
Lageplan und Ansicht von Nordost.
„Links von
diesem Speiseraum, ein wenig zurücktretend, ist ein geräumiges Wohnzimmer,
daran anschliessend ein zweites kleineres, das durch das eine Fenster die
Morgensonne hereinlässt, mit dem anderen das Abendrot festhält. Auf dieser
Seite schaut man auch auf das Meer zu seinen Füssen, zwar aus grösserer
Entfernung, dafür aber ungestörter. Das Wohnzimmer bildet mit dem
vorspringendem Speiseraum einen Winkel, der die direkten Sonnenstrahlen wie ein
Brennspiegel auffängt. Dies ist der Winteraufenthalt, dies auch der Turnplatz
für meine Leute; hier schweigen alle Winde ausser denen, die Regenwolken
heraufführen und den heiteren Himmel beziehen, ehe sie dem Aufenthalt dort ein
Ende machen. An diesen Winkel grenzt ein Zimmer in Form einer Apsis, das mit
allen seinen Fenstern dem Lauf der Sonne folgt. In seine Wand ist ein Schrank,
eine Art Bücherregal eingelassen, das Bücher enthält, die nicht oberflächlicher
Lektüre, sondern ernstem Studium dienen sollen. Diesem Zimmer ist eine
Schlafkammer angegliedert, durch einen Korridor von ihm getrennt, der,
unterkellert und mit einem Heizraum versehen, die zuströmende Heissluft wohl
temperiert hierhin und dorthin verteilt und weiterleitet. Die übrigen Räume
dieses Traktes sind der Benutzung durch die Sklaven und Freigelassenen
vorbehalten, meist so sauber gehalten, dass man dort Gäste empfangen könnte“.
„Auf der
anderen Seite ist ein sehr geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, sodann ein grosses
Schlaf- oder kleines Speisezimmer, wie man will, das im hellen Glanz der Sonne
und des Meeres strahlt; dahinter ein Gemach mit einem Vorzimmer, dank seiner
Höhe für den Sommer, dank seiner geschützten Lage für den Winter geeignet; es
ist nämlich allen Winden entzogen. Mit diesem Gemach ist ein weiteres,
ebenfalls mit einem Vorzimmer, durch eine gemeinsame Wand verbunden“.
Die Villa
Laurentina von Plinius dem Jüngeren südlich von Rom
Das cavaedium
„Es
folgt das weite, geräumige Kaltwasserbad, aus dessen einander
gegenüberliegenden Wänden zwei Becken im Bogen herausspringen, völlig
ausreichend, wenn man bedenkt, dass das Meer in der Nähe ist. Anschliessend das Salbzimmer, die
Zentralheizung, der Heizraum für das Bad, dann zwei Kabinen, eher geschmackvoll
als luxuriös eingerichtet; damit verbunden ein herrliches Warmbad, aus dem man
beim Baden aufs Meer blickt; nicht weit davon ein Ballspielplatz, der im
Hochsommer erst Sonne erhält, wenn der Tag schon zur Neige geht. Hier erhebt
sich ein Turmbau, mit zwei Zimmern im Erdgeschoss und ebenso vielen im
Obergeschoss; ausserdem birgt er ein Speisezimmer mit Ausblick auf das weite
Meer, den langestreckten Strand und reizende Landhäuser“.
Die Villa Laurentina von Plinius dem Jüngeren südlich von Rom
Das Atrium
„Da
ist auch noch ein zweiter Turmbau. Darin befindet sich ein Wohnzimmer, in
welchem die Sonne auf- und untergeht, dahinter eine geräumige Weinkammer und
ein Speicher, darunter ein Speisezimmer, das, auch wenn das Meer ausser Rand
und Band ist, nur sein Brausen und Tosen hören lässt, und auch dies nur
gedämpft und sich verlierend. Es blickt auf einen Garten und eine diesen Garten
begrenzende Promenade. Die Promenade ist mit Buchsbaum oder, wo der Buchsbaum
nicht anwächst, mit Rosmarin eingefasst, denn Buchsbaum gedeiht prächtig nur im
Schutz von Gebäuden; unter freiem Himmel, dem Winde ausgesetzt und unter den
wenn auch von weither kommenden Spritzern des Meeres verdorrt er. Längs der
Innenseite der Promenade läuft ein junger, schattiger Weinlaubengang, auch für
blosse Füsse weich und nachgebend. Der Garten ist dicht bepflanzt mit Maulbeerbäumen
und Feigen, Gewächse, die auf dem Boden dort besonders gut gedeihen, während er
anderen ziemlich missgünstig ist. Dies Panorama, das das dem Meer abgewandte
Speisezimmer geniesst, ist nicht weniger reizvoll als der Blick auf das Meer.
Nach hinten schliessen sich zwei Gemächer an, unter deren Fenstern die Vorhalle
des Landhauses und ein weiterer üppiger Küchengarten liegt“.
„Von diesem
Gebäudekomplex ausgehend, erstreckt sich eine gedeckte Wandelhalle, die beinahe
die Ausmasse eines städtischen Bauwerks hat.
Fenster auf beiden Seiten, nach dem Meer hin mehr, auf der Gartenseite
weniger, immer eins gegenüber zweien. Diese stehen bei heiterem, windstillen
Wetter ohne Schaden offen,
wenn es von links oder rechts weht, nur auf der windgeschützten Seite“.
Die Villa Laurentina von Plinius dem Jüngeren südlich von Rom
Das Gartenhaus
„Vor der
Wandelhalle ist eine veilchenüberduftende Terrasse. Die Wandelhalle reflektiert
und steigert so die Wärme der einfallenden Sonnenstrahlen, und wie sie die
Sonne auffängt, so hemmt und vertreibt sie den Nordwind, und so warm es an der
Vorderseite ist, so frisch ist es hinten. Ebenso gebietet sie dem Südwest Einhalt
und bricht und entkräftet somit die Winde aus entgegengesetzten Richtungen, den
einen auf dieser, den anderen auf jener Seite“.
„Diese Annehmlichkeiten gewährt sie im Winter,
noch grössere im Sommer, denn dann legt sie vormittags auf der Terrasse, nachmittags
auf den nächstliegenden Teil der Promenade und des Gartens wohltuenden
Schatten, der, je nachdem der Tag zu- oder abnimmt, bald länger, bald kürzer
hier- und dorthin fällt. Die Wandelhalle hat dann am wenigsten Sonne, wenn
diese am heissesten auf ihrem Dache liegt. Überdies lässt sie, wenn die Fenster
geöffnet sind, die lauen Westwinde ein und gewährt ihnen Durchzug, so dass sie
nie lästig wird durch dumpfe stehende Luft“.
Die Villa Laurentina von Plinius dem Jüngeren südlich von Rom
Der Lido
„Am oberen Ende der Terrasse und weiterhin der
Wandelhalle und des Gartens steht ein Gartenpavillon, meine stille Liebe, ja,
wirklich Liebe! Ich selbst habe ihn gebaut. In ihm befindet sich ein Sonnenbad
mit Ausblick hier auf die Terrasse, dort aufs Meer und beiderseits auf die
Sonne, sodann ein Wohnraum, aus dem man durch die Flügeltüren in die
Wandelhalle, durchs Fenster aufs Meer blickt. In der Mitte der
gegenüberliegenden Wand springt sehr hübsch eine Veranda vor, die sich durch
Vor- und Zurückschieben von Glaswänden und Vorhängen mit dem Wohnraum verbinden
oder sich von ihm trennen lässt. Sie enthält ein Sofa und zwei Sessel; zu
Füssen hat man das Meer, im Rücken Landhäuser, zu Häupten Waldungen; diese drei
Landschaftsbilder scheidet und vereinigt sie mit ihren drei Fenstern.
Anstossend ein Raum für die Nacht und den Schlaf. Hier merkt man nichts von den
Stimmen der Dienerschaft, nichts vom Rauschen des Meeres, nichts vom Toben der
Stürme, sieht nicht das Leuchten der Blitze, nicht einmal das Tageslicht ,
ausser wenn man das Fenster öffnet. Diese tiefe, heimliche Stille erklärt sich
daraus, dass ein dazwischenliegender Korridor die Wände des Schlafgemachs vom
Garten trennt und mit seinem Leerraum jeden Laut verschluckt. Angefügt an den
Schlafraum ist ein winziger Heizraum, der vermittels einer schmalen Klappe die
aufsteigende Wärme je nach Bedarf ausstrahlt oder zurückhält. Dahinter ein
Zimmer mit einem Vorraum, das nach der Sonne zu liegt und diese gleich bei
ihrem Aufgang einfängt und über den Mittag hinaus zwar schräg einfallend, aber
eben doch behält“.
Plinius schreibt, dass, wenn er sich in den Pavillon (diaeta) zurückgezogen hat, fern von
seiner Villa fühlt und ungestört arbeiten kann auch wenn andere im Hause
lärmen, wie es zum Beispiel im Karneval (saturnalia)
geschieht. Was ihm fehle sei ein Springbrunnen, obwohl es in der Umgebung in
nicht allzu grosser Tiefe viele Wasseradern gäbe. Schon unweit des Strandes,
wenn man zu graben anfängt, fände man sofort trinkbares Süsswasser. Die nahen
Wälder lieferten reichlich Brennholz und alles was man sonst noch braucht,
könnte man in Ostia kaufen und, wenn man keine besonderen Ansprüche stelle,
auch im nächsten Dorf, das gleich hinter dem nächsten Landhaus beginnt. Wie
Plinius sagt, gibt es in diesem Dorf sogar drei öffentliche Bäder, in denen man
gegen Geld baden kann, aber das sei sehr vorteilhaft, wenn man unverhofft
nachhause kommt und es zu spät sei, um noch Wasser warm zu machen.
Überall längs der Küste sieht man Landhäuser,
vereinzelt oder in Gruppen und am Strand hält man sich gern auf es windstill
ist, aber häufig stört dort die starke Brandung. Das Meer ist nicht übermässig
reich an kostbaren Fischen, liefert aber gute Schollen und vorzügliche Krabben.
Das Landgut liefert alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse und besonders
reichlich Milch.
Das Landgut in Umbrien
Sein zweites Landgut beschreibt
Plinius der Jüngere in einem Brief an den Freund Apollinaris (Ep. Buch V, Brief 6). Dieses Landgut liegt im
umbrischen Hügelland, unweit des heutigen Città di Castello, das in römischer
Zeit Tifernum Tiberinum um es
von Tifernum Mataurese einer Stadt am Metauro zu unterscheiden.
Die Villa
von Plinius dem Jüngeren bei Tifernum
Tiberinum in Umbrien
Lageplan
Dieser teilt seinem Freund
Apollinaris mit, dass die Villa sich am Fusse des Apennin befindet, wo zwar ein
gesundes Klima herrsche, aber wo die Winter auch kalt und eisig seien, wo die
Myrte, der Olivenbaum und andere Arten, die die Wärme lieben, nicht wachsen,
jedoch der Lorbeerbaum. Die Sommer seien dort überraschend mild; die Luft
ständig in Bewegung, aber es handele sich eher um ein frisches Lüftchen als um
einen richtigen Wind. Dort wohnen viele ältere Personen, man begegnet
Grossvätern und Grossmüttern in der Blüte ihrer Jahre; man hört Geschichten aus
der Zeit der Vorfahren und man hat fast den Eindruck in einem anderen Zeitalter
geboren worden zu sein.
Die Villa von Plinius dem Jüngeren bei Tifernum Tiberinum in Umbrien
Grundriss
Die Landschaft ist herrlich, man muss sich ein enormes
Amphitheater vorstellen. Eine weite Ebene ist in allen Richtungen von Bergen
umgeben, die von wildreichen Wäldern bedeckt sind.
„Das Landhaus liegt
am Fusse eines Hügels und schaut doch gleichsam von oben gegen die Welt. Im Rücken
hat es den Apennin, aber noch in ziemlicher Entfernung; von ihm erhält es
selbst bei heitersten Wetter frischen, doch nicht scharfen, ungestümen, sondern
eben durch die Entfernung geschwächten, gemilderten Wind. Ein grosser Teil der Baulichkeiten
blickt nach Süden und lockt gleichsam die Sonne in die breiten, vorgelagerten
Arkaden, im Sommer von der sechsten Stunde ab, im Winter wesentlich früher. Diese
bergen vielerlei Anbauten, auch einen Empfangsraum, wie es bei den Alten üblich
war“.
Die Villa von Plinius dem Jüngeren bei Tifernum Tiberinum in Umbrien
Ansicht aus der Vogelschau
„Vor den
Arkaden eine Terrasse, in Blumenbeete von vielerlei Gestalt aufgeteilt, von
Buchsbaumhecken eingefasst; weiterhin ein sanft abfallender Rasenteppich, in
den der Buchsbaum paarweise einander gegenüberstehende Tiergestalten
eingezeichnet hat; beim Übergang in das Flachland geschmeidiger, beinahe möchte
ich sagen, wogender Akanthus. Den Rasenteppich umzieht eine von niedrigem,
mannigfach zugestutzten Buschwerk eingefasste Promenade; zur Seite eine
zirkusförmige Allee, die um vielgestaltigen Buchsbaum und künstlich niedrig
gehaltene Bäumchen herumführt. Das Ganze ist von einer Lehmmauer eingefriedet,
die von einer treppenförmigen Buchsbaumhecke verdeckt und den Blicken entzogen
wird. Dahinter eine Wiese, nicht weniger hübsch in ihrem urwüchsigen Zustand
als obige Dinge in ihrer Künstlichkeit; dann, weiter weg, Felder, viele Wiesen
und Jungholz“.
Die Villa von Plinius dem Jüngeren bei Tifernum Tiberinum in Umbrien
Die Porticus
"Am Ende der Arkaden springt ein Speisesaal vor; aus der Flügeltür blickt man auf das Ende der Terrasse und weiterhin auf Wiesen und viel bebautes Land, aus den Fenstern auf die Langseite der Terrasse und den Erker des Gutshauses und andererseits auf die dichtbelaubten Wipfel der Reitbahn. Etwa in der Mitte der Arkaden liegt etwas zurück ein Pavillon; er umkränzt ein Plätzchen, das von vier Platanen beschattet wird. Zwischen ihnen sprudelt Wasser aus einem marmornen Becken und erquickt die umstehenden Platanen und den Boden unter ihnen mit feinem Sprühregen. In diesem Pavillon befindet sich ein Schlafzimmer, das kein Tageslicht, keinen Lärm, kein Geräusch einlasst, und mit ihm verbunden ein Speiseraum zum täglichen Gebrauch und zur Bewirtung von Freunden; es blickt auf jenes Plätzchen, auf andere Arkaden und alles, was man von dort aus sieht. Da ist auch noch ein weiteres Gemach, von der nächststehenden Platane umgrünt und beschattet, mit Marmor bekleidet bis zum Paneel, und der Anmut des Marmors gibt ein Gemälde nichts nach, das Zweige und auf den Zweigen sitzende Vögel darstellt. In diesem Gemach befindet sich ein kleiner Quell, in dem Quell ein Becken, und mehrere Röhrchen ringsum erzeugen ein liebliches Plätschern“.
Die Villa von Plinius dem Jüngeren bei Tifernum Tiberinum in Umbrien
Ansicht von der Eingangsseite
„Am Ende der
Arkaden ist ein geräumiges Schlafzimmer, ein Pendant zum Speisesaal; aus dem
einen Fenster blickt man auf die Terrasse, aus dem anderen auf Wiesen, vorerst
aber auf einen Teich, der unter dem Fenster liegt und ihm zugutekommt,
anziehend für Auge und Ohr, denn von oben einfallendes Wasser wird in einem
Marmorbecken aufgefangen und schäumt dort. Dies Gemach ist im Winter angenehm
warm, weil es reichlich Sonne erhält. Angeschlossen ist ein Heizgewölbe, und
wenn es trübes Wetter ist, vertritt es durch Abblasen von Dampf die Sonne.
Sodann führt ein geräumiges, freundliches Umkleidezimmer für das Bad in das
Kaltwasserbad, in welchem sich ein weites, schattiges Schwimmbecken befindet.
Will man ausgiebiger oder wärmer schwimmen, ist da im Hofraum ein Bassin, in
nächster Nähe ein Brunnen, an dem man sich abkühlen kann, wenn man von dem
lauen Wasser genug hat. An das Kaltwasserbad schliesst sich ein mässig temperiertes
Bad an, dem sich die Sonne freigiebig zur Verfügung stellt; mehr noch dem
Warmbad, denn es springt vor. Dort findet man drei Wannen, zwei in der Sonne,
eine dritte wenig weiter von der Sonne ab, aber nicht weniger hell. Im
Oberstock des Umkleidezimmers ist ein Spielplatz, der für mehrere Arten von
Spielen und mehrere Gruppen von Spielern Raum hat. Nicht weit von dem Bade
führt eine Treppe in eine gedeckte Wandelhalle, vorher aber noch zu drei
Zimmern. Von diesen geht eines auf ein Plätzchen mit vier Platanen, ein zweites
auf die Wiese, das dritte auf Weingarten und hat verschiedene Teile des
Horizonts als Hintergrund“.
“Am Ende der
Wandelhalle ist ein herausgeschnittenes Gemach, das auf die Reitbahn, auf
Weingärten und Berge schaut, anschliessend ein der Sonne ausgesetzter Raum,
besonders im Winter. Hier beginnt ein Trakt, der die Reitbahn mit dem Gutshause
verbindet“.
„Dies ist das Bild
der Schauseite, diesen Zwecken dient sie. Zur Seite befindet sich ein wenig erhöht
eine gedeckte Wandelhalle für den Sommer, die die Weingärten nicht anzublicken,
sondern zu berühren scheint. In der Mitte empfängt ein Speisezimmer die
herrlichste Luft aus den Tälern des Apennin; hinten geben breite Fenster den
Blick auf die Weingärten frei, die Flügeltür ebenfalls auf Weingärten, aber
durch die Halle hindurch. Auf der fensterlosen Seite des
Speiseraumes schafft eine versteckte Stiege herbei, was zum Mahle benötigt
wird. Am vorderen Ende der Wandelhalle ein Gelass, dem die Halle selbst einen
nicht weniger reizvollen Anblick bietet als die Weingärten. Unter der
Wandelhalle befindet sich ein kellerartiges Gewölbe, im Sommer eisig infolge
der eingeschlossenen Kaltluft; mit seiner eigenen Atmosphäre zufrieden,
vermisst es keinen Luftzug und lässt auch keinen herein. Am anderen Ende dieser
beiden Hallen, dort, wo das Speisezimmer endet, beginnen Arkaden, vormittags
winterlich kalt, sommerlich warm, wenn der Tag sich neigt. Von ihnen aus
betritt man zwei Pavillons; in dem einen von vier, in dem anderen drei Zimmer
dem Lauf der Sonne folgend entweder Sonnenschein oder Schatten.
Schlussfolgerung
Die Beschreibungen Plinius des Jüngeren zeigen, dass seine
beiden Villen unter enger Berücksichtigung der Sonnenverlaufs entworfen und
gebaut worden sind und ganz klar auf folgenden Beweggründen: nämlich um Orte zu
schaffen wo man sich wärmen und zugleich des Schauspiel des Sonnenauf- und
-untergangs geniessen kann. Die Gebäude beider Villen sind deshalb gegen Südost
oder Südwest ausgerichtet. Eines der Wichtigsten architektonischen Elemente
dieser Landhäuser sind die Arkaden oder gedeckten Wandelgänge, die die
einzelnen Gebäude und nicht selten einzelne Räume miteinander verbinden. In
diesen Wandelgängen kann man sich aufhalten auch wenn es regnet (solange es
nicht stürmt), wenn man Schatten und erfrischenden Wind sucht oder auch wenn
man sich vor kalten Winden schützen und trotzdem frische Luft atmen will. Die
Wandelgänge der Villen von denen Plinius spricht, haben zum Teil verglaste
Fenster, eine Seltenheit zu jener Zeit, in der Fensterglas so teuer war, dass
nur sehr reiche Leute sich den Luxus verglaster Fenster leisten konnten.
Ein anderes beliebtes Element in diesen Villen waren
Turmzimmer, von denen man eine weiten Blick über die eigenen Ländereien
schweifen lassen konnte. Diese Turmbauten hatten allerdings nur zwei oder drei
Stockwerke, was völlig ausreichend war um über die Dächer des Landgutes hinweg
blicken zu können. In Italien hat sich dieses Element bis ins Mittelalter auf
den Landgütern hinein erhalten. Der Turmbau hatte die dicksten Mauern und
beherbergte normalerweise die Zimmer, in denen der herrschaftliche Eigentümer
logierte, wenn der die Runde auf seinen Gütern machte.
Eine Idee vom Aussehen dieser römischen Landhäuser
vermitteln uns zahlreich Wandbilder, die sich an manchen Orten wie Pompeji,
Herculanum und Stabiae erhalten haben. Verschiedene dieser Villen sind im Haus
des Marcus Lucretius Fronto in Pompeji abgebildet. Auch auf diesen Gemälden aus
der ersten Zeit des Römischen Kaiserreiches fallen sofort die weitläufigen
Arkaden und Wandelgänge ins Auge, welche die einzelnen Gebäude, Pavillons,
Türme, Plätze und Wasserbecken miteinander verbinden.
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