Ein weiteres berühmtes Beispiel des Neuen Bauens der 20er Jahre des letzten
Jahrhunderts ist die Siedlung Neubühl
in Zürich-Wollishofen (Schweiz) mit seinen 194 Wohnungen.
Die
Siedlung Neubühl 1929
Die Wurzeln der
Siedlung "Neubühl" gehen auf die Ausstellung “Die Wohnung” zurück,
die der Deutsche Werkbund organisiert
hatte und die im Sommer 1927 in Stuttgart zu sehen war, mit anderen Worten auf die
Siedlung Weissenhof. Das Besondere, welches die Siedlung Neubühl von anderen
Mustersiedlungen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie trotz der Beteiligung
verschiedener Architekten ein städtebauliches Ganzes bildet, in dem alle
Gebäude nach den gleichen konstruktiven Details gebaut worden sind. Eine zweite
Besonderheit ist die, dass Neubühl nicht als Arbeitersiedlung, sondern für
Familien des Mittelstandes geplant wurde, denen man Wohnungen zu günstigen
Mietzinsen anbieten wollte.
Das älteste
Dokument, das die Siedlung Neubühl betrifft, ist
eine Skizze des Architekten Rudolf Steiger vom 12. November 1928. Eineinhalb
Jahre später, im Sommer 1930, beginnen die Bauarbeiten und im Frühjahr 1932
können die Wohnungen der dritten Bauetappe übergeben werden. Die neue Siedlung
wurde folglich in mitten der Weltwirtschaftskrise erstellt und zwar auf der
Basis einer privaten Initiative und im Auftrag einer eigens dazu gegründeten
Genossenschaft.
Erster Projektvorschlag von 1928
Alle Gebäude der Siedlung sind senkrecht zu den
Quartiersstrassen angeordnet, damit die Wohnungen nicht dem Staub und dem Lärm
des Verkehrs ausgesetzt sind. Die Wohnungen sind nach Südosten orientiert und
folglich gut besonnt. Es war jedoch nicht die ausdrückliche Absicht der Architekten
durch diese Orientierung die winterlichen Heizkosten zu reduzieren. Den
Wohnungen eine gute Besonnung zu ermöglichen war jedoch eines der Prinzipien
des Neuen Bauens. Und man weiss ja, dass in Europa die beste Ausrichtung der
Wohnräume diejenige nach Süden ist. Im Fall von Neubühl wäre das möglich
gewesen, aber man hat es vorgezogen, dass die Baukörper senkrecht zu den
Quartiersstrassen stehen.
Im Vergleich zur
Weissenhofsiedlung in Stuttgart, handelte es sich bei Neubühl nicht um das Erstellen
von Musterbauten und Musterwohnungen. In Kenntnis der Erfahrungen mit Mies van
der Rohes Musterhaus in der Weissenhof-Siedlung bemühte man in Neubühl nur
bauliche Details zu verwenden, die sich schon als zuverlässig erwiesen hatten,
nicht zuletzt auch um die Baukosten zu begrenzen.
Plakat von 1931: Licht, Luft und
Öffnung sind die Hauptziele des Neuen Bauens
Das Grundstück,
auf dem sie Siedlung Neubühl steht, wurde von sechs verschiedenen Eigentümern
erworben, von denen jeder danach trachtete den höchstmöglichen Preis zu
erzielen. Aus diesem Grund war es notwendig jeden Kubikmeter auszunutzen, den
das Baureglement gestattete, welches an diesem Ort ursprünglich ein
Einfamilienhausquartier vorgesehen hatte.
Die Gebäudeachsen erstrecken sich parallel zum Hang des
Hügels zwischen dem Zürichsee und dem Sihltal. Die an der Planung beteiligten
Architekten waren die Zürcher Architekten Max Ernst Haefeli, Carl Theodor
Hubacher, Rudolf Steiger, Werner Max Moser und Emil Roth sowie die Basler
Architekten Paul Artaria e Hans Schmidt.
Die ersten Bewohner des neuen Quartiers waren junge Künstler – Grafiker, Maler,
Schauspieler, Schriftsteller und Architekten. Alle waren von der neuartigen
modernen Architektur mit ihren Flachdächern begeistert angezogen.
Die
Siedlung Neubühl heute (2006)
Die
Projektierung der neuen Siedlung schloss auch die Inneneinrichtung ein. Um den
Ideen der Architekten mehr Schwungkraft zu verleihen, wurde 1931 die Firma Wohnbedarf
AG (Wobag) ins
Leben gerufen, eine Werkstatt, die sich um die Entwicklung neuer
Einrichtungsgegenstände und Möbel bemühte. Die Arbeiten wurden von dem jungen
Schweizer Architekt und Grafiker Max Bill (1908-1994) koordiniert, der kurz
zuvor aus Deutschland zurückgekehrt war, wo er am Bauhaus gearbeitet hatte. Er organisierte 1931 eine Ausstellung in
der Siedlung wo er eine Wohnung und ein Atelier einrichtete. Er entwarf auch
das Plakat zur Ausstellung sowie Prospekte und Annoncen.
Trotz seiner
unbestreitbaren Wichtigkeit für die moderne Architektur, seiner Rolle als
Meilenstein der dieser Architektur und als eines der wichtigsten Beispiele des
Neuen Bauens, steht die Siedlung Neubühl heute nicht unter Denkmalschutz, im
Gegensatz zur Weissenhof-Siedlung in Stuttgart.
Literatur
·
Albers, Gerd und Fritz Eggeling (Hrsg.)(1965): StadtBauwelt 5, 1965.
·
Franzen, Brigitte (1993): Die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe 1929. Zur
Vermittlung des Neuen Bauens. Marburg: alp-druck
·
Marbach, Ueli und Rüegg, Arthur (1990): Werkbundsiedlung Neubühl - Entstehung
und Erneuerung. Zürich: gta Verlag
·
P.M., Von der Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich-Wollishofen, in:
Schweizerische Bauzeitung, 29.06.1929, p. 317-321.
·
Werkbund-Siedlung Neubühl, in: Tages-Anzeiger del
29.10.1977
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