Im Jahr 1879,
veröffentlichte der deutsche Hygieniker Franz Knauff (1835-1920), im Zusammenhang mit
dem Bau des neuen akademischen Krankenhauses in Heidelberg, eine Arbeit über
die beste Orientierung von Gebäuden (1) und beschrieb seine Schlussfolgerungen mit
folgen Worten:
„a) bei nord-südlicher
Achsenstellung erhält der Raum im Laufe eines Jahres mehr Sonnenstrahlungswärme
als bei ost-westlicher Achsenstellung, und zwar im Verhältnis von etwa 11:10.
Indes kommt dieses Mehr an Wärme nur in der warmen Jahreszeit zur Wirkung, ist
sonach kein eigentlicher Gewinn.
b) Wenn hingegen die Achse des
Raumes von Ost nach West gerichtet ist, so erhält er während der ganzen Dauer
der kühlen und kalten Jahreszeit (d. i. während der Zeit des Heizens) eine
absolut größere Menge von Sonnenstrahlungswärme, als bei nord-südlicher
Achsenstellung, und zwar im Verhältnis von etwa 6:5.“
Bei seinen Studien
benutzte Knauff zum ersten Mal meteorologische Daten über die
Veränderlichkeit und die Intensität der Sonnenstrahlung unter Berücksichtigung
der Bewölkung. Er hatte auch eine Meinung zum Abstand von Hausreihen und
empfahl einen horizontalen Abstand zwischen der Achse einer Hausreihe und der
Fassade der nächsten von etwa der 3,5fachen Firsthöhe der gegenüberliegenden
Hausreihe.
Im gleichen Jahr, in dem die Arbeit von Franz Knauff über das akademische Krankenhaus in Heidelberg herauskam, veröffentlichte Alfred Vogt in der Zeitschrift für Biologie (Bern 1879) einen Artikel über die Orientierung städtischer Strassen (2). Darin heisst es:
„Durch
die tägliche Erfahrung gewohnt an die Zunahme der Luftwärme im Freien zur
Mittagszeit, welche uns der Physiker durch das Steilerwerden des Einfalls der
Sonnenstrahlen erklärt, übersah man bis jetzt, dass sich der Zeit nach dieses
Verhältnis gerade umkehrt und dadurch den nach Ost oder West schauenden
Hausfronten bei gleicher Insolationsdauer mehr Wärme zugeführt wird als den
Südseiten.“
Vogt unternahm Messungen
im Monat Juli und kam zum Ergebnis, das ihn selbst überraschte, nämlich „dass
die Südwand am wenigsten Insolationswärme aufgenommen hatte“.
Die Ergebnisse von
Knauff und Vogt flossen in das „Handbuch für Architektur“ von Durm, Ende,
Schmitt und Wagner (3) ein, das die klare Empfehlung enthält, den Achsen der
Gebäudereihen eine Ost-West-Ausrichtung zu geben.
In seinem Buch
„Grundbegriffe des Städtebaus“ von 1921 kommt Karl H. Hoefner zum Schluss, dass in der Übergangszeit und im
Winter der Ost-West ausgerichtete Häuserblock am besten dasteht, dass aber die
Verteilung der Besonnung auf den Gesamtblock massgebend sein müsse, und das man
sich deshalb der Nord-Süd-Lage nähern müsse.
Im Jahr 1930
behandelt Paul Schmitt (6) in der „Zeitschrift
für Bauwesen“ ausführlich die Themen „Besonnung“ und „Orientierung“ von
Bauwerken. Hier in Kürze Seine Schlussfolgerungen:
„Für die Bestimmung von
Hausabständen genügt die Annahme einer vierstündigen möglichen Besonnungsdauer
am 21. Dezember.
Die Einstrahlungswerte an
Südwänden (Ost-West-Straßen) sind in der kalten Jahreszeit und in der
Übergangszeit stärker als in der warmen Jahreszeit und deshalb besonders
vorteilhaft.
Die Einstrahlungswerte an Ost-
und Westwänden (Nord-Süd-Straßen) sind in der kalten Jahreszeit am kleinsten;
sie erreichen ihren Höchstwert in der heißen Jahreszeit und bleiben in der
Übergangszeit hinter jenen an Südwänden zurück.
Hinsichtlich der Besonnungswerte
sind bei Reihenhäusern a) in Übergangszeit alle Strassenrichtungen nahezu
gleichwertig; b) im Sommer Ost-West-Strassen erheblich günstiger als
Nord-Süd-Strassen; c) im Winter Ost-West-Strassen den Nord-Süd-Strassen in
hohem Masse überlegen.
Südwände werden im Winter durch
Einstrahlung rascher erwärmt als im Sommer
Ost- und Westwände werden im
Winter durch Einstrahlung langsamer erwärmt als im Sommer.
In Bezug auf Raumauskühlung und
Raumerwärmung sind Ost-West-Straßen günstiger als Nord-Süd-Straßen.
Windanfall bedingt in der kalten
Jahreszeit an Nord-Süd-Straßen höheren Heizstoffaufwand als an
Ost-West-Straßen. Dagegen ist die Abkühlungsmöglichkeit bei Nord-Süd-Straßen
günstiger.
Diagonalstrassen halten in jeder
Hinsicht eine Mitte zwischen Nord-Sud- und Ost-West-Straßen.
Die Ost-West-Straße weist
erhebliche Vorteile gegen jede andere Straße auf. Sie kann als die beste
bezeichnet werden, wenn Wohn- und Schlafräume nach Süden, Küche, Treppenhaus,
Bad, Klosett und Nebenräume oder kühl zu haltende Zimmer, die im Sommer oft
nicht unerwünscht sind, nach Norden gelegt werden.
Im Jahr 1932 kommt der Ingenieur Fritz Konz in seiner Diplomarbeit zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Schmitt:
Bei der freistehenden Hausreihe
ist der tatsächliche Besonnungswert für die Ost-West-Richtung der Hausreihen
bedeutend grösser als für die Nord-Süd-Richtung.
Die Verringerung des tatsächlichen
Besonnungswertes unter dem Einfluss benachbarter Hausreihen erweist sich für
die Ost-West-Richtung der Hausreihen bedeutend keiner gegenüber der
Nord-Süd-Richtung.
Konz fasst das Problem wie folgt
zusammen:
„Die Ost-West-Richtung ist der
Nord-Süd-Richtung fast durchwegs überlegen, eine Feststellung, die den
Schmitt’schen Ergebnissen parallel läuft und über diese hinaus vor allem nach
der sehr wichtigen Seite des Einflusses benachbarter Hausreihen erhärtet wurde.
Man kann von anderer Seite, z. B.
von der Frage der Grundrisslösung ausgehend, möglicherweise zu der Anschauung
gelangen, dass die Nord-Süd-Richtung wünschenswert und vorzuziehen sei. Eine
Vertretung dieses Standpunktes verpflichtet aber, sich darüber klar zu sein,
dass für die zu erzielenden Vorteile eine mehrfach schlechtere Durchsonnung
während der massgebenden Jahreszeit in Kauf genommen werden muss.“
(1) Knauff, F.: Das neue akademische
Krankenhaus in Heidelberg, München 1879
(2) Vogt, Alfred: Über die
Richtung der städtischen Straßen nach der Himmelsgegend und das Verhältnis
ihrer Breite zur Häuserhöhe. Zeitschrift für Biologie, Berna 1879
(3) ) Durm, Ende, Schmitt und Wagner: Handbuch der Architektur, Darmstadt 1890
(4) Korff-Petersen, A.: Die Besonnung der Häuser in
städtischen Straßen, Zeitschrift für Hygiene, Berlin 1920
(5) Korff-Petersen.
Die Berücksichtigung der Wärmewirtschaft beim Plan und der Ausführung des
Hausbaues, Zentralblatt für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete, Berlin
1924
(6) Schmitt, Paul,
Die Besonnungsverhältnisse an Stadtstrassen und die günstigste Blockstellung,
Zeitschrift für Bauwesen, Berlin 1930
(7) Konz, Fritz: Der Einfluss der Besonnung auf Lage und
Richtung von Wohnstrassen, Diss. TH-Stuttgart 1932
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