mercoledì 25 settembre 2013

Wohnen im Mittelalter


Das Mittelalter wird oft als „dunkle“ Zeit beschrieben. Als Mittelalter wird die Zeit zwischen 476 und 1492 bezeichnet. Im Jahr 476 besiegte Odoaker, König der Heruler (um 433-493), den letzten legitimen weströmischen Kaiser Romulus Augustulus (um 459-dopo il 476) und im Jahr 1492 entdeckte Christopher Kolumbus einige Inseln im Westen, von denen er irrtümlich annahm, sie würden zu Indien gehören. Dass er einen neuen Kontinent entdeckt hatte, der dann Amerika genannt wurde, hat Kolumbus nie begriffen.

Nach dem Jahr 476 fiel in Westeuropa die gesamte politische und staatliche Organisation, die für Jahrhunderte das römische Kaiserreich ausgezeichnet hatte, in sich zusammen, und begann eine neue Epoche, in der die Völker Nord- und Osteuropas versuchten Verwaltung, Wirtschaft, Militär und Rechtsprechung auf ihre Art neu zu ordnen und zwar auf lokaler Ebene.

Mit dem Weströmischen Reich endet auch die goldene Zeit der Städte. Die europäischen Städte schrumpfen mit Ausnahme von Konstantinopel. Das antike Byzanz wird Hauptstadt des Ostens, des Oströmischen Reiches, und es gelingt dieser Stadt sogar ihre Wirtschaftmacht zu stärken. Im Jahr 400 hat sie etwa 700.000 Einwohner. Sie erhält breitere Strassen und grössere Plätze, Marmorpaläste, Kirchen, Wandelgänge, Arkaden, Brunnen, Parks, Bibliotheken und Schulen. Nur die Viertel des gemeinen Volkes bleiben so wie sie sind: mit engen Gassen und hohen Mietshäusern. Die insulae von Konstantinopel ragen noch  höher in den Himmel als die Roms und erreichen eine Höhe bis zu 30 Metern (zehn Stockwerke), dort wo die Strasse mindestens vier Meter breit ist. In diese Vierteln dringt die Sonne nie. Konstantinopel bleibt Hauptstadt für mehr als tausend Jahre. Erst im Jahr 1453, nach einer kurzen Belagerung, wird Stadt von den Türken erobert, weil sich im christlichen Abendland niemand für sie einsetzt.

Im Westen verfallen nach 476 die Städte langsam aber kontinuierlich. Köln, die römische Colonia Claudia Ara Agrippinensium, gegründet um 49 u.Z., wird 355 von den Alemannen zehn Monate lang belagert.  Hundert Jahre später, im Jahr 455 wird die Stadt von den salischen Franken erobert und zu deren Hauptstadt gemacht. Auch Mainz (Mogontiacum), das aus einem römischen Militärlager hervor gegangen ist und im Jahr 89 u.Z. Hauptort der Provinz Obergermanien geworden war, in dem seit der Mitte des 4. Jahrhunderts eine von einem Bischof geleitete christliche Gemeinde lebte, wurde um das Jahr 408 von Wandalen, Alanen und Sweben geplündert. Erst im Jahr 782 wird Mainz Bischofssitz und somit Hauptort einer Diözese.

Die grösste römische Stadt nördlich der Alpen war Augusta Treverorum (Trier), Hauptort der Provinz Gallia Belgica, und hatte im 4. Jahrhundert u.Z. zwischen 80.000 und 100.000 Einwohner. Von 328 bis 340 war Trier Residenz von Kaiser Konstantin II. und ab 367 von Valentinian I. Im Jahr 407, als Wandalen, Alanen und Sweben Gallien überfluteten, wurde die Präfektur nach Arles verlegt. Im 5. Jahrhundert wurde die Stadt wiederholt von den Franken besetzt und geplündert und im Jahre 451 von den Hunnen Attilas erobert. Um das Jahr 1100, war das Areal der Stadt nur noch ein Viertel so gross wie in römischer Zeit (siehe Karte).

 
Grundriss der Stadt Trier in römischer Zeit und im Mittelalter
(Quelle: Böhner in “European Towns” 1977)

Die germanischen Stämme mochten die Städte und das Stadtleben nicht. Sie lebten lieber auf dem Land in Dörfern und Einzelgehöften und liessen deshalb die baulichen Überreste der römischen Städte verkommen. Die städtische Kultur erlebte einen raschen Niedergang. Die germanischen Königreiche hatten keine feste Hauptstadt. Noch Karl der Grosse (um 748-814) und seine Nachfolger führten das Leben von Nomaden: sie reisten, je nach Erfordernis und Dringlichkeit, samt ihrem Hofstaat von Pfalz zu Pfalz, von palatium zu palatium, und regierten von dort aus, über die einzelnen Teile ihres Herrschaftsgebietes. Die Hauptpfalz Karls des Grossen war Aachen, wo er auch nach seinem Tode beerdigt wurde. Sein dortiger Palast war mit römischen Architekturelementen (Säulen, Dekorationen) ausgeschmückt, die aus den Ruinen Triers stammten. Einige dieser Pfalzen entwickelten sich später zu wichtigen Verwaltungshauptorten und auch viele Bischofssitze nahmen nach und nach städtisches Gepräge an. Gegen 1100 begannen in Deutschland die alten, heruntergekommenen römischen Städte wieder zu wachsen und entstanden viele neue Städte und stadtähnliche Siedlungen.

Die mittelalterlichen Städte waren von mächtigen Mauern umschlossen. Ihre Mauern und Türme machten weithin sichtbar, dass eine Siedlung eine Stadt und kein Dorf war. Selbst wenn man anfänglich Freiflächen innerhalb der Stadtmauern eingeplant hatte, waren diese jedoch bald zugebaut und der Platz wurde infolge von Zuwanderungen knapp. Man musste in die Höhe bauen. Häuser mit zwei, drei und mehr Stockwerken waren das Übliche. Die Bauplatze waren schmal – 5-6 Meter breit - und sehr tief. Das typische Haus eines Handwerkers  hatte drei Geschosse: im Erdgeschoss lagen die Werkstadt, die sich mit einem Tor zur Strasse hinaus öffnete, ein fensterloser Lagerraum und die Küche. Im hinteren Teil des Grundstücks lag ein kleiner, schmaler Hof mit der Latrine. Die zwei oberen Wohngeschosse erreichte man über steile Treppen.

Diese Häuser hatten nur wenige und kleine Fenster, auf jedem Obergeschoss ein oder zwei zur Strasse und eins zum Hof, schon deshalb, weil die Fenster nur durch Holzläden oder geölte Vorhänge zu verschliessen waren, denn Fensterglas war zu teuer und verglaste Fenster verbreiteten sich erst später ab dem 13. Jahrhundert.

 
Mittelalterliches Perugia
(nach einer Darstellung von Bonfigli)
 

Die Häuser waren entsprechend der örtlichen Bautradition gebaut und folglich sahen sie von Region zu Region etwas anders aus. Nördlich der Alpen baute man viel mit Holz und sogar viele Burgen waren ursprünglich aus Holz gebaut, und anstelle von Mauern hatten sie Palisaden.

Nur in Westeuropa, in Ländern die  römisch gewesen waren, kannte man das Bauen mit Steinen und Ziegeln. Von dort verbreitete sich der Steinbau langsam nach Osten. Anfänglich wurden nur die wichtigsten Gebäude in Stein gebaut: die Burgen des Adels, die Kirchen und die Häuser der Steuereinnehmer. Es wurde üblich das Erdgeschoss aus Sicherheitsgründen in Stein und Ziegeln zu bauen und die oberen Geschosse und das Dach in Holzfachwerk. Holz gab er reichlich und das Bauen mit Holz hatte in den germanischen und slawischen Ländern eine lange Tradition.

In den Mittelmeerländern baute man weiterhin mit Steinen und Ziegeln und benutzte das Holz nur für Balken und den Bau von Toren, Türen, Fenstern und Möbeln. Die Notwendigkeit in den Städten in die Höhe zu bauen wurde vom Adel Italiens (der im Unterschied zum germanischen Adel das Stadtleben vorzog) benutzt, um in den Städten vollbefestigte Burgen mit hohen Türmen (castrum cum turris) zu errichten. Nur adlige Familien hatten das Recht, Befestigungen und Türme in der Stadt zu bauen. Sie bedurften dazu jedoch der Genehmigung durch den Lehensherren. Die Ttürme waren Prestigeobjekte, die den Reichtum und die Macht ihrer Besitzer ausdrücken sollten. Das führte dazu, dass immer höhere Türme errichtet wurden mit dem Ergebnis, dass diese häufig einstürzten, wobei unvermeidlich auch die umstehenden Häuser beschädigt wurden.

Mittelalterliche Stadtburg mit Türmen (Idealdarstellung)
(Quelle: Wood-Brown, J. The Builders of Florence, London 1907, p. 81.)

Das war auch der Grund, der gegen Ende des 12. Jahrhunderts zur sogenannten „Köpfung der Türme“ führte, das heisst zur Abbruch der obersten Geschosse dieser Bauwerke. Mit der zunehmenden Zurückgewinnung der Macht in den Städten durch das Bürgertum, verboten die Stadtregierungen das Bauen neuer Türme durch Private und begrenzten durch Gesetze deren Höhe. Kein Turm durfte nun höher als der des Rathauses sein.

In den nachfolgenden Jahrhunderten, wurden die düsteren und unbequemen Wohnburgen aufgegeben zugunsten komfortablerer Stadthäuser und Paläste; zum Teil wurden sie auch in diese neuen Gebäude integriert. Nur wenige dieser mittelalterlichen Bauwerke haben sich in den italienischen Städten bis heute erhalten. Am bekanntesten für seine Türme ist San Gimignano in der Toskana, wo mehrere Turme „ungeköpft“ erhalten sind. Allerdings sind von den ehemals mehr als siebzig Türmen, von denen man Kenntnis hat, nur vierzehn noch in voller Höhe vorhanden.

Die Strassen und Gassen der mittelalterlichen Städte waren eng, nur die Hauptstrassen, die die Stadt von Tor zu Tor durchquerten waren etwas breiter. Die Häuser der wohlhabenden Städter und des Adels befanden sich an diesen Hauptstrassen und an den Kirch- und Marktplätzen, denn an diesen Orten gab es mehr Licht und Sonne. Aber erst in der Renaissance erscheinen grosse Stadtpaläste der reichen Bürgertums und des Adels mit grossen auf die Strasse blickenden Fenstern.

Viele Menschen glauben noch heute ans „finstere Mittelalter“, aber diese Vorstellung ist falsch. Wie in jeder Epoche, hat es auch im Mittelalter Fortschritte und Erfolge gegeben, auf philosophischen, künstlerischen und technologischen Gebiet. Zu den Erfindungen, die im Mittelalter gemacht wurden, gehören das mechanische Uhrwerk, die Brillen, der Buchdruck, das Schiesspulver und die Artillerie. Auch die Nutzung der kinetischen Energie von Wasser durch Mühlen, Walkereien, Sägereien und andere mechanische Betriebe. Hinzu kommt die Nutzung der Windenergie durch Windmühlen und in der Seefahrt. Die erste Erwähnung von Windmühlen in Europa stammt aus dem Jahr 1222.

Im Zusammenhang mit der passiven Sonnenenergienutzung und dem klimagerechten Bauen ist wohl die wichtigste Errungenschaft des Mittelalters die zunehmende Herstellung von Fensterglas nach dem Erscheinen der Schrift “De diversis artibusdes Benediktinermönchs Theophilus Presbiter am Anfang des 12. Jahrhunderts. Die nun rationeller gewordene Herstellung von Glasscheiben leitete die wachsende Verbreitung verglaster Fenster ein.  

venerdì 20 settembre 2013

Verglaste Fenster


Das Licht kommt herein,  der Wind bleibt draussen

Einer besonderen Erwähnung bedürfen die Fenster. Die Häuser der alten Griechen und Römer hatten keine verglasten Fenster wie wir sie heute kennen. Damals waren die Fenster einfache Öffnungen, die man mit Holzläden oder geölten Vorhängen oder Pergament verschloss und die in erster Linie zur Lüftung und nicht zur Belichtung dienten. Vorhänge und Pergament waren jedoch nicht wetterfest. Im trockenen Ägypten waren auch Vorhänge aus Papyrus in Gebrauch. Wo es nur um die Belichtung der Räume ging, waren in manchen Fällen die Öffnungen auch mit Glimmer- oder dünnen Alabasterscheiben verschlossen, was man noch heute in einigen frühchristlichen Kirchen sehen kann.

Im römischen Haus (domus) erhielt das Atrium Licht von oben durch eine Öffnung im Dach (impluvium) und die angrenzenden Räume erhielten Licht durch die Tür, die normalerweise nur mit einem Vorhang verschlossen war. Einige Räume, die zum Garten hinaus gingen, erhielten Licht auch durch Fenster. Nur die grossen Stadthäuser, die keinen Garten oder Hof hatten, besassen Fenster zur Strasse. Die Wohnungen in den oberen Geschossen hatten hölzerne Fensterläden (foriculae, valvae) und die Fenster der Erdgeschossräume waren vergittert und mit Drahtgeflecht verschlossen, um das Eindringen von Ratten und anderen Tieren zu verhindern.

Im 1. Jahrhundert v.u.Z. erfanden die Römer das Flachglas. Die Erfindung war ein grosser Schritt vorwärts, denn nun konnte man Fenster bauen, die auch im geschlossenen Zustand Licht ins Innere der Gebäude brachten und keinen Wind hereinliessen. Die Situation änderte sich jedoch nur langsam, denn das Fensterglas war sehr teuer und nur reiche Leute konnten sich es leisten. Deswegen sah man verglaste Fenster zunächst nur in öffentlichen Gebäuden und den Häusern und Palästen der Oberschicht. In einem Brief an den Freund Lucilius erwähnt Lucius Annaeus Seneca (etwa 4-65 u.Z.) verglaste Fenster in den öffentlichen Bädern (1). Er sah in dieser Neuerung ein Zeichen für den baldigen Untergangs des Reiches.

Die ersten Flachglasscheiben waren relativ klein, selten grösser als 20x30 Zentimeter. Das Glas war nicht so durchsichtig wie unser heutiges; es war wellig und ähnelte eher unserem Mattglas. Trotzdem war es eine technische Revolution. Nun konnte man das Tageslicht nutzen. Das Glas liess sie kurzwellige Sonnenstrahlung herein, erwärmte die Luft und die Gegenstände, aber die langwellige Wärmestrahlung konnte nicht wieder durch das Glas entweichen. Deshalb stellt die Erfindung des Flachglases einen Meilenstein auf dem Weg der passiven Nutzung der Sonnenenergie dar.

In den Privathäusern installierte man verglaste Fenster nur dort, wo niemand sie mutwillig zerstören konnte, also nur gegen den Innenhof und den Garten, aber nicht auf der Strassenseite. Ohne Fensterglas wäre der Bau der grossen Thermen mit ihren grossen Öffnungen zur Sonne unmöglich gewesen. Die Bäder der vorangegangenen Zeit waren dunkel gewesen und hatten nur kleine Lüftungsöffnungen zur gehabt, damit möglichst wenig Wärme verloren ging. Nun konnte man die grossen Thermensäle nicht nur grosszügig belichten, sondern auch die Sonne als zusätzliche Wärmequelle nutzen. Die teure Verglasung machte sich bezahlt: was man dafür ausgab, kam durch den geringeren Verbrauch an Brennmaterial wieder herein.

Wir kennen nicht genau die Technik, die die Römer bei der Herstellung von Flachglas anwandten. Zwei Techniken stehen zur Diskussion: das Blasen und das Giessen. Die erste Technik besteht im Blasen einer Glaskugel, die durch einen Schnitt geöffnet wird, so dass ein Zylinder entsteht, der auf einem Tisch ausgerollt und geglättet werden kann. Die zweite Technik besteht im Giessen der flüssigen Glasmasse direkt auf eine ebene Unterlage und anschliessendem Ausrollen.

Aus den Scheiben gefärbter Gläser stellte man auch kleine Plättchen (tesserae) her, die bei Mosaik- uns Einlegearbeiten Verwendung fanden (Fussböden, Wandverkleidungen usw.). Bruchstücke römischen Fensterglases sind in Rom, Herculanum und Aix-en Provence bei archäologischen Ausgrabungen in den grossen Thermen zum Vorschein gekommen.

Im 2. Jahrhundert u.Z. wurden viele Glashütten eröffnet, auch in den Provinzen des Reiches, in Gallien und Germanien (Köln am Rhein). Die Herstellung von Flachglas blieb jedoch bis ans Ende der römischen Zeit beschränkt. Offensichtlich war es nicht gelungen, das flache Glas in den fünfhundert Jahren seit seiner Erfindung billiger zu machen. Es war immer noch zu teuer um eine grosse Verbreitung zu finden, im Gegensatz zum dekorativen Glasgeschirr, das aus den gleichen Produktionsstätten kam.

Am Ende des Römischen Reiches erlebte die Glasproduktion einen Niedergang, aber verschwand nicht vollkommen. Kleine, oft eingefärbte Flachglasscheiben fanden Verwendung in den Fenstern von Kirchen und Kathedralen. Der Kirchenschriftsteller Lucius Caecilius Firmianus Lactantius (etwa 250–327 u.Z.) erwähnt verglaste Kirchenfenster (2) und Hinweise darauf finden sich auch bei den Kirchenvätern Augustinus (354-430 u.Z.) und Hieronymus (347-420 u.Z.) (3). Für das Jahr 405 sind verglaste Fenster für die Basilika San Pietro fuori le mura in Rom bezeugt und für das Jahr 450 für die Hagia Sophia in Konstantinopel (4).

Bis zum 14. Jahrhundert blieben Fensterverglasungen selten, denn  sie waren immer noch zu so teuer um eine weite Verbreitung zu finden. Nach der Völkerwanderungszeit gab es verglaste Fenster nur in den reichsten Klöstern und Kirchen. Im Jahr 585 erhielt das Kloster Sankt Gallen verglaste Fenster und im Jahr 674 bestellte die Kirche Sankt Peter von Durnham in England Fensterglas bei einer Glashütte in Gallien. Einige Klöster gründeten eigene Glashütten, zum Beispiel das Kloster Sankt Gallen um das Jahr 850.

Bis ins Mittelalter hinein hatten normale Wohnhäuser keine verglasten Fenster. Die Fenster hatten Läden aus Holz oder wurden mit Leinen, Pergament oder Leder verhängt. Man öffnete sie nur bei schönem Wetter. Sie dienten hauptsächlich zur Lüftung, was man an den englischen und spanischen Wörtern für Fenster noch merkt. Das englische „window“ bedeutet „Windauge“ und das spanische „ventana“ enthält ebenfalls das Wort „Wind“.

Am Anfang des 12. Jahrhunderts beschrieb der Benediktinermönch Theophilus Presbiter (eigentlich Roger von Helmarshausen) in seinem Werk De diversis artibus“ die Herstellung von Glas, das Blasen von Glasgefässen und Flachglas sowie den Bau von Schmelzöfen. Theophilus, der wahrscheinlich auch Konstantinopel besucht hatte, schreibt, dass man die Asche von Buchenholz mit Flusssand im Verhältnis von 2:1 mischen müsse; dann sei das Gemisch für einen Tag und eine Nacht am Feuer zu trocknen, und zwar unter ständigem Umrühren der Masse, damit diese nicht schmilzt oder klumpt. Sodann müsse man die Masse in einen Schmelztiegel geben und sie bei hoher Temperatur für eine ganze Nacht schmelzen. Das Flachglas erhielt man durch Blasen von grossen Glaskugeln, die, wenn sich noch warm waren, gezogen, geschnitten und zu Scheiben ausgerollt wurden.

 
Glasbläser (aus einer mittelalterlichen Schrift;)
 
Den Text hat Theophilus wahrscheinlich in Köln geschrieben, wo sich seit römischer Zeit eine Glasproduktion erhalten hatte. Möglicherweise gab Theophilus‘ Buch Anstoss, diese Produktion wieder aufleben zu lassen, denn im XII. Jahrhundert erlebte die Herstellung von Flachglas einen Aufschwung. Die von Theophilus beschriebene Technik wurde im 13. Jahrhundert in Venedig perfektioniert, wo es schon Korporationen von „fiolari“ gab, das heisst von Flaschenherstellern, während die Glasbläser von Altare, einem kleinen Ort in Ligurien, schon im Ausland arbeiteten. Im Jahr 1291 wurden die Glasmacher von Venedig auf der Insel Murano angesiedelt, weil deren Glashütten und Werkstätten eine ständige Brandgefahr dargestellt hatten.

In der Dichtung des 13. Jahrhunderts ist oft von verglasten Fenstern in den Schlössern und Burgen die Rede. Am Ende des 13. Jahrhunderts gab es in den Städten Deutschlands und Englands und sogar auf dem Lande schon reiche Privathäuser, die verglaste Fenster hatten. Nach 1300 begann auch der Preis von Fensterglas zu sinken und um 1400 organisierten sich die deutschen Glasmacher in Zünften und Gilden.
 
Typisches mittelalterliches Fenster mit Holzläden. Nur der obere Teil  besitzt Gser in Bleirahmung.  (Quelle: Völkers, Otto: Wohnraum und Hausrat, Bamberg 1949)

Im 13. und 14. Jahrhundert wuchs mit zunehmenden wirtschaftlichen Wohlstand auch die Produktion von Fensterglas. Dank der zunehmenden Nachfrage wurde das Glas auch billiger. Alle wichtigen Gebäude und auch die Wohnhäuser der Wohlhabenden erhielten nun Glasfenster. Die Verbesserung der Herstellungstechniken erlaubte nun auch die Herstellung grösserer Scheiben und den Bau grösserer Fenster sowie den Bau von verglasten Gewächshäusern in den neuen Botanischen Gärten und von Orangerien neben den Schlössern des Adels.

Für das Jahr 1330 ist die Herstellung von Kronglas (Crown-Glass) im französischen Rouen dokumentiert. Diese Herstellung bestand aus der Entnahme eines Tropfens heisser Glasmasse und dem Blasen einer Halbkugel. Darauf wurde die Glasmacherpfeife hochgehalten und schnell gedreht, wobei sich die Kugel abflachte. Dann setzte man der Glasmacherpfeife gegenüber ein Hefteisen an und sprengte die Pfeife ab, so dass ein kreisrundes Loch entstand. Nach abermaligem Erwärmen wurde die vorgeblasene Kugel mit dem Hefteisen gedreht. Hierbei erweiterte sich die Öffnung; ihr Rand bog sich durch die Zentrifugalkraft nach aussen um und nahm die Form einer Krone an (daher der Name). Durch weiteres Drehen entstand eine kreisförmige Glasscheibe, die nach ihrer Trennung vom Hefteisen als Fensterscheibe verwendet wurde. Die Technik wurde bis ins 19. Jahrhundert verwendet. In alten Kirchen und Häusern sind zum Teil noch solche runde, in Blei gefasste Scheiben zu finden.

Herstellung von Kronglas in einer deutschen Glashütte (Weibersbrunn ) des 18. Jahrhunderts. Das Bild stammt aus der berühmten französischen Encyclopédie. Der Arbeiter links bringt Holz zum Heizen des Schmelzofens; in der Mitte des Bildes wird ein Tropfen heisse Glasschmelze entnommen (oder erneut erhitzt). Rechts im Vordergrund  wird ein Tropfen Glasschmelze vorbereitet und zentrifugiert wie man im Hintergrund sieht.

Im Jahr 1448 besitzt schon der grösste Teil der Wiener Häuser verglaste Fenster. Im 17. Jahrhundert erhöht sich die Produktion, das Glas wird durchsichtiger und billiger. Jetzt erhalten nach und nach auch die Wohnungen der normalen Bürger Glasfenster und es kommt auch bei geschlossenen Fenstern Licht in die Zimmer. Die Zeiten, in denen man wählen musste zwischen Tageslicht und kaltem Wind, sind nun vorbei. Der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon (1561-1626) kritisiert eifrig diese Entwicklung und ist der Meinung, man müsse sich nun vor zu viel Sonne schützen.

 
Glasherstellung in England im 18. Jahrhundert

Im 15. Jahrhundert werden die ersten farblosen und transparenten Gläser in Venedig (Murano) hergestellt, das sogenannte Kristallglas. Unter Ludwig XIV. wird in Paris die Compagnie des Glaces gegründet. Sie liefert die Spiegel für das Schloss von Versailles. 1688 erhält die Manufaktur von Staats wegen das Monopol auf die Herstellung von Flachglas aller Abmessungen ab 60 Zoll x 40 Zoll (1,56 m x 1,04 m) aufwärts. 1692 wird die Produktion in das Dorf Saint-Gobain in der Picardie in Nordfrankreich verlegt. Flachglas wird dort mittels Zylindrierung hergestellt: dabei wird die Glasschmelze auf einen Tisch gegossen und mit einem Zylinder flach ausgewalzt. Das so erhaltene Flachglas war weisslich und opak. Zur Herstellung von Spiegeln mussten die Scheiben aufwändig geglättet und poliert werden.

 
Glasherstellung in England im 18. Jahrhundert
 

Das Flachglas zu erschwinglichen Preisen erlaubte den Bau von Gewächshäusern, die immer mehr in Mode kamen, denn viele Adlige und vor allem die Universitäten sammelten und kultivierten in ihren botanischen Gärten tropische Gewächse aus Übersee. Diese Gewächshäuser mussten im Winter mit Öfen geheizt werden. Die Sonne konnte infolge der Einfachverglasung nur einen bescheidenen Beitrag zur Heizung leisten.

Eine richtige Revolution in der Glasherstellung setzte im 19. Jahrhundert ein mit der Industrialisierung dieses Wirtschaftszweiges. 1919 machte die Glasherstellung einen letzten Sprung durch die Einführung des Walzverfahrens, bei der zwei rotierende Walzen die heisse Glasschmelze in ein langes Band auswalzen, das dann anschliessend in Stücke geschnitten und abgekühlt wird. Mit diesem Verfahren lassen sich Glasscheiben bis zu einer Grösse von 3 x 6 Meter herstellen. Heute stellt die Glasindustrie eine enorme Menge von verschiedenen Gläsern her, für jede Anforderung gibt es Spezialgläser. Die Verwendung von wärmedämmenden Verglasungen ist heute allgemein üblich und somit ist auch die passive Nutzung der Sonnenenergie effizienter geworden. Gegenüber einer Einfachverglasung, sind diese Zwei- und Dreischeibengläser etwas weniger lichtdurchlässig – sie lassen nur etwa 60 Prozent und nicht 90 Prozent des Lichtes passieren, dafür übertragen sie aber nur ein Fünftel der Wärme nach aussen, die durch eine einfache Glasscheibe verloren geht.

Ein ungewöhnliches Urteil über den Gebrauch verglaster Fenster stammt von dem amerikanischen Technologiehistoriker Lewis Mumford. In seinem Buch The City in History” (New York 1961) (6) bezeichnet er das Aufkommen verglaster Fenster, in dem wir alle unzweifelhaft einen grossen Fortschritt sehen, als einen negativen Faktor für die Hygiene und für die Gesundheit, weil das Glas die ultraviolette, bakterientötende  Strahlung nicht durchlässt, während durch die alten glaslosen Fenster das Sonnenlicht hätte ungefiltert eindringen können. Der Autor  hat offensichtlich vergessen, dass Glas nur einen Teil der ultravioletten Strahlung nicht durchlässt, nämlich eine Strahlung mit einer Wellenlänge von weniger als 315 Nanometern. Ultraviolettes Licht mit Wellenlängen zwischen 380 und 315 Nanometern passiert das Glas ungehindert. Ausserdem hat er vergessen, dass bei dem vorwiegend schlechten und kühlen Wetter Mittel- und Nordeuropas im Mittelalter die hölzernen Fensterläden selten geöffnet wurden um die Sonne hereinzulassen.  und dass auch um Frischluft hereinzulassen. Wenn bei gutem Wetter die verglasten Fenster zum Lüften für einige Stunden offen standen, kam jedoch genügend unfiltriertes Sonnenlicht in die Zimmer.

Ein Kuriosum: Die Fenstersteuer

Im Jahr 1696 führte der englische König William III. eine Fenstersteuer ein, die window tax, die als eine Art Vermögenssteuer gedacht war, denn an eine Einkommenssteuer war nicht zu denken. Eine solche wurde vehement bekämpft, weil eine solche als eine nicht akzeptierbare Einmischung des Staates in die Privatangelegenheiten der Bürger galt (7).

Bei ihrer Einführung bestand die Fenstersteuer aus zwei Teilen: aus einer fixen Steuer von zwei Schillingen pro Haus und eine Steuer für Häuser mit mehr als zehn Fenstern, die nach der Anzahl Fenster des Hauses variierte. Für ein Haus mit zehn bis zwanzig Fenstern waren vier Schillinge zu bezahlen und für Häuser mit mehr als zwanzig Fenstern acht Schillinge (8). Die Zahl der Fenster wurde 1766 auf sieben reduziert und 1826 auf acht festgesetzt. Im Jahr 1778 wurde auch die fixe Steuer in eine variable umgewandelt, die sich nach dem Wert des Hauses richtete. Arme Leute waren von der Steuer befreit (9).

Die window tax war einfach zu kontrollieren, denn die grösseren Häuser haben in der Regel auch mehr Fenster. Trotzdem war diese Steuer wenig populär und galt als „Steuer auf Licht und Luft“ (10). Im XVII. und XVIII. Jahrhundert war die window tax von gesellschaftlicher und kultureller Bedeutung, nicht zuletzt für die Architektur, in Schottland und dann in Grossbritannien. In einigen Fällen führte die Steuer zur Schliessung von Fenstern. Eine ähnliche Steuer gab es zwischen 1798 und 1926 auch in Frankreich.

Die reichsten Familien des britischen Königreiches benutzten die Steuer um sich gegenüber anderen hervorzutun. Sie liessen sich auf dem Lande herrschaftliche Schlösser mit möglichst viel Fenstern bauen. In Extremfällen liessen sie sogar in Stützmauern Fenster einfügen. Die window tax hatte einen regelrechten Wettkampf zwischen den Adelsfamilien zufolge. Die Steuer wurde 1851 aufgehoben und durch eine Immobiliensteuer ersetzt (11).

Anmerkungen

(1) Seneca, Ad Lucilium de providentia
(2) Feldhaus, F.M.,  Die Technik, Wiesbaden 1914)
(3) Völkers, Otto, Glas und Fenster, Berlin 1939
(4) Feldhaus, F.M.,  Die Technik, Wiesbaden 1914
(5) Völkers, Otto. Glas und Fenster, Berlin 1939
(6) Mumford, Lewis: Die Stadt. Geschichte und Ausblick, Teufen (AR) 1961, S. 329
(7) Herber, Mark D.: Ancestral Trails: The complete guide to British genealogy and family history. Sutton Publishing Ltd.1997, S.416
(8) Wolverhampton Archives
(9) Herber, op. cit., S. 16
(10) Antrag auf Steuererlass aus dem Jahre 1776. DEr Ausdruck daylight robbery (Lichtdiebstahl) ist jedoch neueren Datums. Nach dem Oxford English Dictionary, erscheint der Ausdruck erst 1916 im Theaterstück “Hobson’s Choise” von Harold Brighouse.
(11) Wolverhampton Archive

martedì 17 settembre 2013

Kaltes Klima - Die Häuser der Wikinger


Um Beispiele von klimagerechtem Bauen in kalten Gegenden zu finden, muss man nicht weit gehen. In Mittel- und Nordeuropa gibt es genügend Beispiele. Ein sichtbares Merkmal ist die breite Verwendung von Holz. Das liegt aber auch am Waldreichtum dieser Region. Holz war das billigste und geeignetste Baumaterial, leicht zu bearbeiten und, fachgerecht verbaut, sogar langlebig.

Im nördlichen Europa muss man sich vor allem gegen Wind und Kälte schützen. Anders als im Süden Europas, kann man sich auf wärmende Herbst- und Wintersonne nicht verlassen. Winddichtheit und gute Wärmedämmung sind wichtiger als Sonne. Holz ist in dieser Hinsicht ein sehr geeigneter Baustoff. Gegen den Wind schützte man sich ursprünglich in dem man die Häuser niedrig baute und mit großen, stroh- oder riedgedeckten Dächern versah. In besonders windigen Gegenden warf man auf der Windseite auch Erdwälle auf und deckte das Dach mit Grassoden.

Auch heute lässt sich noch beobachten, dass in den nördlichen Ländern Europas mehr Wert auf eine gute Wärmedämmung gelegt wird als im Süden. Nicht, dass die Nordeuropäer energie- und umweltbewusster wären als andere, sondern es ist das Ergebnis einer jahrhundertealten Erfahrung, dass Wärmedämmung mehr nützt als das Hinterherjagen nach dem letzten Sonnenstrahl.

In Gebieten mit einem reichen Bestand an Nadelholzwäldern, entwickelte sich die sogenannte Blockbauweise bei der die Wände aus langstieligen, horizontal geschichteten Baumstämmen bestehen. Diese Wände tragen auch das Dach, das ebenfalls aus Baumstämmen konstruiert ist und mit Stroh oder Ried gedeckt ist. Die Blockbauweise kannte man schon  vorgeschichtlicher Zeit. Die Grösse der Häuser war durch die Länge der verfügbaren Baumstämme begrenzt und betrug maximal 25 Quadratmeter (5x5 Meter).  Die kleinen Häuser waren entweder teilweise in den Boden eingesenkt (sogenannte Grubenhäuser) oder ebenerdig, hatten aber im Innern eine Feuerstelle und im Giebel Öffnungen als Rauchabzug.


Slawisches Grubenhaus 6.-7. Jahrhundert – Grabungsbefund und Rekonstruktion


In anderen Gebieten Europas mit überwiegendem Laubholzvorkommen entstand die Skelett- oder Ständerbauweise, bei der vertikale Pfosten die Dachlast aufnehmen. Die Stabilität wird durch aussteifende Diagonalverstrebungen erreicht und durch Zangen, die die Dachsparren zusammenbinden.  Die Wände sind reine Füllungen und können aus Flechtwerk mit Lehmbewurf, Sodenpackungen, Vertikal- oder Horizontalbohlen, aber auch aus Bruchstein oderZiegeln bestehen. Auch diese Bauweise ist schon vorgeschichtlich bezeugt.  Ursprünglich waren die Pfosten in die Erde eingegraben und verfaulten deshalb schnell. Später wurden sie auf Holzschwellen gestellt, die ihrerseits auf Steinmäuerchen auflagen, sodass die Hölzer besser vor Feuchtigkeit geschützt waren. Holzbau ist Trockenbau. Man braucht keinen Mörtel, der Feuchtigkeit ins Haus bringt. Wichtig ist es, jegliche Feuchtigkeit vom Haus fernzuhalten.

 
Rekonstruktion eines Wohnstallhauses mit Firstpfosten (7.8.Jahrhundert)

Die Grösse der in Ständerbauweise errichteten Häuser ist nicht so stark von der Länge der Baumstämme abhängig wie beim Blockbau. Die Häuser können länger werden. Es entsteht auf rechteckigem Grundriss das sogenannte Langhaus, in welchem Wohnung, Speicher und Stallungen unter einem Dach vereint sind. Es ist der Vorgänger des germanischen Bauernhauses.

Als Beispiele für traditionelles Bauen in kaltem Klima können die Langhäuser dienen, welche die Wikinger in Dänemark, Norwegen und Island gebaut haben. Wir kennen sie hauptsächlich aus Ausgrabungen. An mehreren Ausgrabungsstätten wurden sie auch rekonstruiert um den Besuchern einen Eindruck von dieser Bauweise zu vermitteln. 

Die Ausmasse der Wikingerhäuser waren dem wirtschaftlichen und sozialen Status ihrer Erbauer entsprechend sehr unterschiedlich. Das grösste in Norwegen gefundene Langhaus war 9 x 83 Meter gross, einfache Bauernhäuser waren dagegen nur 4 bis 5 Meter breit und 10 bis 12 Meter lang.

 
Rekonstruiertes Wikingerhaus in Fyrkat

Die Häuser von Fyrkat, einer kreisförmigen Wikingerburg in Nordjütland, hatten gebogene Längsseiten. Sie waren 28,5 m lang und 8,5 m breit mit geringerer Breite an den Enden. Zum Bau eines dieser Häuser benötigte man etwa 66 große Eichen. Innen hatten die Häuser eine 18 Meter lange Mittelhalle und zwei kleinere Giebelräume. Die Wände bestanden aus senkrecht stehenden, gekrümmten Eichenbalken; schräg an der Außenwand stehende Balken sollten vermutlich die Dachlast abfangen. Die Häuser hatten Türen an der Giebelfront und an den Längsseiten, aber keine Fenster. Die Dächer waren mit Eichenholzschindeln gedeckt. Die Grösse der Gebäude und die Verteilung der Feuerstellen deuten darauf hin, dass nicht alle Gebäude bewohnt waren.

 

Wikinger Bauernhäuser in Bukkøy, Karmøy, Norwegen


Vor den Holzwänden mancher Wikingerhäuser waren als Windschutz zusätzlich Steinmauern aufgeschichtet wie zum Beispiel bei den Bauernhäusern in Bukkøy, Karmøy, Norwegen. Anstelle von Steinmauern wurden auch Grassoden aufgeschichtet wie zum Beispiel beim rekonstruierten Wikingerhaus in Borg auf den Lofoten, einer Inselgruppe vor der Küste Norwegens.

 
Wiederaufgebautes Wikingerhaus in Borg (Lofoten).
Heute Wikingermuseum


Auf der gleichen Breite wie Norwegen befindet sich Island, das, den Erzählungen zufolge , im Jahre 870 von dem schwedischen Wikinger Gardar Svavarsson entdeckt wurde, der dort auch überwinterte. Die Archäologen haben jedoch noch viel ältere Wikingersiedlungen entdeckt. Auf der Westmännerinsel haben si die Fundamente eines typischen norwegischen Langhauses aus dem 7. Jahrhundert ausgegraben.

Das isländische Klima wird vom Golfstrom bestimmt und ist deshalb weniger hart als das anderer Länder, die auf der gleichen Breite liegen. Die Winter sind relativ mild, die Sommer sind jedoch recht kühl. Die Tagestemperaturen bewegen sich zwischen 0 und 3°C im Winter und zwischen 12 und 215°C im Sommer.

Island ist bekannt für seine traditionellen Häuser, die vollständig von Erde bedeckt zu sein scheinen. Nur die den kalten Wind abgewandte Giebelseite mit dem Hauseingang ist frei. Diese Häuser sind aus Stein, Torf und Grassoden gebaut; selbst die Dächer sind mit Grassoden gedeckt, denn in Island gab und gibt es wenig Holz. Deshalb verwendete man zum Bau oft das Holz alter Schiffe oder eigens aus Norwegen importiertes Holz.
 
 
Eiríksstadir, Rekonstruktion eines Langhauses (skáli) aus dem 10. Jahrhundert.
Haukadalur, Westisland,  (Foto: Guðmundur Ingólfsson)
 
 
Bei Haukadalur im Nordwesten der Insel stand um das Jahr 1000 das Haus Eriks des Roten, dem Entdecker Grönlands, der wegen verschiedener Morde aus Norwegen verbannt war. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hat man an dem Ort Ausgrabungen durchgeführt und dabei die Fundamente eines Langhauses aus dem 10. Jahrhundert freigelegt. Daneben hat man ein solches Langhaus rekonstruiert, welches jetzt ein archäologisches Museum beherbergt.

 
Inneres des rekonstruierten Langhauses von Eiríksstadir, Haukadalur, Island

 

 

 
 
 

 

sabato 14 settembre 2013

Mittelmeerklima - Zwei traditionelle Bautypen


Noch heute gibt es in Italien zwei traditionelle Bautypen, die als klimagerecht betrachtet werden können: den Dammuso auf der Insel Pantelleria und den Trullo in Alberobello (Apulien).

Der Dammuso

Der Dammuso ist das typisches Wohnhaus der Insel Pantelleria, die zwischen Sizilien und der tunesischen Küste liegt. Das Klima auf der Insel ist durch recht hohe Sommertemperaturen und milde Winter gekennzeichnet. Die mittlere  monatliche Temperatur liegt im August bei 24°C , im Januar bei 10°C. Die Niederschläge sind im Sommer spärlich, aber die Winde wehen das ganze Jahr über stark und häufig. Der Dammuso trägt diesen besonderen Bedingungen des Inselklimas Rechnung. Das traditionelle Baumaterial ist Lavagestein, das es in grosser Menge auf der Insel gibt.

 
Dammuso aus schwarzem Lavagestein und weissgekalkten Dächern

Dammuso ist ein sizilianisches Wort, das „Dach“ bedeutet und ursprünglich ein  einfaches, ländliches Gebäude, die „Sardune“ bezeichnete, einen Unterstand, der aus aufgelesenen Steinen gebaut ist. Meistens ist dieser Unterstand an eine Terrassenmauer angelehnt, kann aber auch frei inmitten eines Grundstücks stehen. In diesen Gebäuden bewahrten die Bauern ihre Geräte auf und suchten vor der Sonne und dem Regen Schutz. Aber wenn heute von Dammuso die Rede ist, denkt man in erster Linie an das traditionelle Wohnhaus der Pantelleria.

Diese Wohnhäuser sind aus Lavablöcken ohne Verwendung von Mörtel gebaut. Das Dach hat die Form einer flachen Kuppel. Um das Regenwasser besser auffangen zu können, das in einer unterirdischen Zisterne neben dem Dammuso aufbewahrt wird, sind die Ränder des Daches etwas hochgezogen, so dass das Regenwasser sich schneller in den Rinnen (canallate) sammelt, von denen aus über Rohre in die Zisterne geleitet wird. Angesichts der langen und trockenen Sommer ist es wichtig eine solche Reserve nahe beim Haus zu haben. Das Dach ist weiss verputzt und gekalkt, damit es das Sonnenlicht besser reflektiert und die sich darunter liegenden Räume nicht überhitzen. Die dicken Steinmauern des Dammuso schützen sowohl vor der sommerlichen Hitze als auch vor den Winden und der Kälte im Winter. Fenster und Türen sind relativ klein und lassen nur wenig Licht ins Innere.

 
Grundriss eines Dammuso

Ein Dammuso hat normalerweise drei Räume: einen Wohnraum (sala), eine Kammer (cammarinu) und eine mit einem Vorhang geschlossene Schlafecke (arkova). Heute findet man manchmal noch einen kleinen Schlafraum für Kinder sowie einen Abstell- und einen Vorratsraum. Der Dammuso hatte früher noch Anbauten, die zum Kochen, als Vorratskammer, Stall oder Weinlager dienten. Auf dem Dach trocknete man früher Früchte wie Tomaten und Weintrauben.

Die Hauptfassade des als Wohnung dienenden Dammuso ist immer verputzt, auf den anderen Seiten bleiben die schwarzen Lavasteine sichtbar. Der Fussboden war normalerweise aus gestampfter Erde; nur in den Häusern der Bessergestellten war er mit Fliessen oder Steinplatten belegt.

Neben dem Dammuso lag oft ein rundes, von einer Mauer aus Lavasteinen umgebenes Gehege, in dem Obstbäume, vorwiegend Zitronen- und Orangenbäume, geschützt vor den ständig wehenden Winden wuchsen.

Heute hat man fast alle dieser einst ländlichen Bauten in Touristenwohnungen umgewandelt.

Der Trullo

Der Trullo ist ein typisches traditionelles Wohnhaus der Murgia, einer Kalkhochebene im der Mitte Apuliens und im Osten der Basilikata. Das Klima Apuliens ist typisch mediterran: warme Sommer, milde Winter. Dennoch sind die Sommer auf der Hochebene relativ frisch und im Winter sind Schneefälle und Nebelbildung nicht selten. Die mittleren Wintertemperaturen liegen jedoch über null Grad, und die Höchsttemperaturen im Juli variieren zwischen 24°C und 30°C.

Trullo - Grundriss und Schnitt

Das Wort „Trullo“ stammt aus dem späten Altgriechischen τρούλος und bedeutet Kuppel. In der Tat wird die äussere Form des Trullo von der Pseudo-Kuppel in seinem Inneren bestimmt. Die Pseudo-Kuppel besteht aus Trockenmauerwerk: flache Steinplatten werden ohne Mörtel kreisförmig in Schichten verlegt. Je weiter man in die Höhe steigt, desto enger werden die Kreise bis eine kegelförmige Decke oder Kuppel entsteht. Diese Form könnte sich aus einer vorgeschichtlichen  Rundhütte entwickelt haben, aber die heute existierenden Trulli sind nicht sehr alt, weil ihre Eigentümer, sobald das Dach durchlässig wurde, es immer vorgezogen einen neuen Trullo zu bauen, anstatt den alten zu reparieren. Die ältesten existierenden Trulli stammen aus dem 16. Jahrhundert. Am bekanntesten sind die Trulli von Alberobello, die die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt hat.
 
 
Zwei Trulli
 

Die bauliche Hülle eines Trullo ist sehr dick, und dieser Umstand hat den Vorteil, dass im Innern ein relativ ausgeglichenes Klima herrscht.  Die Steine der Mauern und des Daches halten, dank ihrer thermischen Trägheit und ihres  Speichervermögens, die tagsüber unter der Sonne aufgenommene Wärme und geben sie nachts langsam wieder ab. Wie in einem Keller bleibt die Innentemperatur fast das ganze Jahr hindurch relativ konstant, so dass man es drinnen im Sommer kühl und im Winter warm findet. Nur in der zweiten Augusthälfte hat man das Gefühl, es sei drinnen wärmer als draussen.

Ausser der Haustür ein Trullo nur im oberen Teil der Kuppel eine kleine Öffnung mit einem kleinen Fenster, das zur Lüftung dient und nur wenig Licht ins Innere dringen lässt.