Die ersten Gewächshäuser Englands
waren wahrscheinlich diejenigen des
botanischen Gartens von Oxford und des Chelsea
Physic Garden. Zwischen 1716 und 1736 wurden weitere Gewächshäuser,
sogenannte “conservatories” von
Philip Miller (1691-1771) und von Richard Bradley (1688-1732) projektiert.
Miller war ein schottischer Botaniker der, zwischen 1721 und seinem Tode,
Chefgärtner des botanischen Gartens der Apothekerzunft von Chelsea war. 1722 folgte
er seinem Vaters als Superintendent des botanischen Gartens nach. Als solcher
machte er aus diesem botanischen Garten eine der reichsten Sammlungen seltener
und exotischer Pflanzen in Europa. Miller weigerte sich die binominale
Nomenklatur Carl von Linnés (1707-1778) zu übernehmen und verwendete
vorzugsweise das von Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708)
und von John Ray (1627-1705) vorgeschlagene Klassifikationssystem.
Erst 1768, in der achten Ausgabe seines Dictionnaire, übernahm er schliesslich das linnéische
System.
Richard Bradley war ein englischer Botaniker
und Schriftsteller, der, zwischen 1716 und 1730, mehr als zwanzig Bücher über
Gärtnerei und Landwirtschaft geschrieben hat. Er war Mitglied der Royal Society
und wurde 1724 als Professor für Botanik an die Universität Cambridge berufen. Dort
erwies er sich jedoch als ungeeignet weil er keine Fremdsprachen sprach.
Trotzdem erlebten seine Werke mehrere Neudrucke.
Hundert Jahre später projektierte der
Architekt John Nash (1752-1835) vier Gewächshäuser für den Buckingham Palace,
die allerdings abgerissen wurden als König William IV den Palast umbauen liess.
Eines der Gewächshäuser wurde jedoch 1836 durch den Architekt Edward Blore
(1787-1879) in den Kew Gardens wieder aufgebaut und gilt heute als das älteste
aus jener Zeit erhaltene Gewächshaus.
Im 19.
Jahrhundert erhielt die Gewächshausarchitektur neue Impulse durch die
industrielle Entwicklung. Die Eisenhütten begannen Gusseisen und Stahl in
grossen Mengen herzustellen und die Glashütten lieferten nun Flachglas zu
erschwinglichen Preisen. Stahl und Glas wurden sofort die bevorzugten Baumaterialien
von Architekten und Ingenieuren, denn sie erlaubten die Realisierung grosser,
luftiger Volumen innerhalb von schlanken, transparenten Strukturen. Das war ein
vollkommener Gegensatz zu dem schweren, massiven Mauerwerk, das bisher die
tragenden Teile der Bauwerke bildete. Der Gebrauch der neuen Materialien führte
zwangsläufig zu einer neue Ästhetik.
Die ersten,
vollkommen aus Stahl und Glas errichteten Bauten waren deshalb reine
Zweckbauten, Gewächshäuser, die auch Pflanzen von aussergewöhnlicher Grösse,
zum Beispiel Palmen, aufnehmen konnten. Sie mussten nicht dem klassizistischen
und historisierenden Geschmack der damaligen Zeit entsprechen. In England wurden
diese Gewächshäuser “conservatories”, “glass houses” oder “palm houses”
genannt, um sie von den alten Orangeriebauten aus Mauerwerk und Holz zu
unterscheiden (1)
Die Gewächshäuser von John Claudius Loudon
Das Konzept der neuen Gewächshäuser basiert auf den
Studien von John Claudius Loudon (1783-1843), der nach einer energieeffizienten Form seiner
Gewächshäuser suchte. Loudon war der Sohn eines
wohlhabenden schottischen Landwirts. Schon in seiner Jugend hatte er
hervorragende praktische Erfahrungen erworben; danach hatte er an der
Universität von Edinburgh Chemie, Botanik und Landwirtschaft studiert. Nachdem
er halb Europa bereist hatte, begann er
in den Jahren 1813-14 sich der Verbesserung von Gewächshäusern und
landwirtschaftlicher Anbaumethoden zu widmen. Er entwickelte ein System von miteinander
verbundenen Elementen, die entsprechend dem Einfallswinkel der Sonnenstrahlen geneigt
waren.
Das Palmhaus in den Bicton Gardens, East Budleigh, Devon
|
„Über die Form, die ein gläsernes Gewächshaus haben sollte, um die
grösstmögliche Menge an Sonne zu erhalten“, war der programmatische Titel eines seiner 1815
gehaltenen Vorträge, in dem er den Zweck seiner Forschungen umriss. Das
Ergebnis dieser Forschungen war ein kuppelförmiges Gewächshaus mit einer Oberfläche, die zu jeder Jahres- und Tageszeit
einen optimalen Einfall des Sonnenlichtes garantierte, d.h. das Sonnenlicht
traf immer senkrecht auf eine der zahlreichen Glasflächen des Gewächshauses.
Verschiedene Quellen nennen zusammen mit Loudon auch George Mackenzie mit dem Loudon 1815 einen Artikel zum
Thema veröffentlichte (2).
Auf seinem
Besitz in Bayswater baute Loudon längs einer Mauer mehrere Gewächshäuser verschiedener Grösse und Form, wobei er
13 verschiedene Metallprofile und Glasscheiben verschiedener Grösse verwendete.
Eine der Ideen Loudons war, die Metallprofile und die Glasscheiben in der
gleichen Ebene anzuordnen, um auf diese Weise den Schattenwurf der Profile zu
reduzieren. Loudon experimentierte auch mit der Lüftung von Gewächshäusern, in
dem er regulierbare Öffnungen in deren Dächern einbaute. Ein System von Dampf-
und Warmwasserheizung, das damals gerade erfunden worden war, erlaubte es
zudem, im Innern der Gewächshäuser eine jeweils für die Pflanzen optimale
Temperatur zu schaffen.
Loudon
entwickelte auch Projekte für Industriearbeiterwohnungen und solare Heizungssysteme.
In London liess er sich als Stadtplaner nieder. Viele Jahrzehnte früher
als Frederick Law Olmstedt (3) und andere Planer fing er an, Visionen zur
Begrünung Londons zu erarbeiten. Diese Arbeiten sind in der Schrift Hints
for Breathing Places for Metropolis enthalten, die er 1829 veröffentlichte. Er sah ein geordnetes, durch die Anlage
von Grüngürteln (greenbelts) gelenktes Wachstum der Metropole vor. Die
Grüngürtel und Parks galten ihm als luftreinigende Lungen der Grossstadt.
Anmerkungen
(1) Eine kurze Geschichte der Gewächshäuser aus Stahl und
Glas befindet sich in: Sue Minter, The Greatest Glass House, London 1990
(2) Mackenzie, George: On the Form Which the Glass of
a Forcing-House Ought to Have, in Order to Receive the Greatest Possible
Quantity of Rays from the Sun; in: Transactions of the Horticultural Society of
London 1817, p. 171 seg.
(3) Frederick Law Olmstedt (1822-1903), berühmter amerikanischer
Landschaftsarchitekt, bekannt als Vater der amerikanischen Landschaftsarchitektur,
Architekt der Chicago World Exposition von 1893
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