Gegen
die Mitte des 19. Jahrhundert dachte man in London daran, eine “Grosse
Weltausstellung” zu organisieren. Im Hinblick auf diesen Anlass schrieb man
1850 einen Architekturwettbewerb aus. Es wurden 240 Entwürfe eingereicht.
Unter diesen gab es zwei, deren Autoren den Gebrauch vorfabrizierter Stahl- und
Glaselemente vorschlugen. Das eine Projekt stammte von dem Franzosen Hector
Horeau, das zweite von dem Iren Richard Turner. Das Organisationskomitee hielt
sämtliche Entwürfe für unrealisierbar und beschloss deshalb ein einfaches
Projekt auszufuhren, welchen andere Architekten dann vervollständigen sollten. Dieses einfach auszuführendes Projekt stammte von Joseph
Paxton, der viel Erfahrung mit dem Bau von Gewächshäusern mit vorgefertigten,
standardisierten Elementen aus Glas und Stahl hatte. Paxton zeigte dem Komitee
eine Skizze seines Projektes, die er auf einem Stück Löschpapier gemacht hatte.
Das ausgearbeitete Projekt übergab er neun Tage später.
Der
Crystal Palace der Londoner Weltausstellung von 1851
Paxton war Chefgärtner in Chatsworth in Derbyshire gewesen, wo er die
Freundschaft des Eigentümers erworben hatte. In Chatsworth hatte er Versuche
mit dem Bau von grossen Gewächshäusern aus Stahl- und Glaselementen gemacht und war von der Haltbarkeit dieser Bauwerke
und der Einfachheit ihres Unterhalts beeindruckt. Der von ihm vorgeschlagene
Ausstellungspalast war die Frucht dieser langjährigen Erfahrungen. In der Encyclopaedia Britannica (2004)
liest man, dass Paxton sich bei seinem Entwurf teilweise von der organischen
Form der Amazonas-Lilie inspirieren liess, welche die Königin Victoria mit viel
Erfolg gezogen hatte. Bei seinen Entwurfsarbeiten für den Crystal Palace wurde
Paxton von den Ingenieur William Cubitt unterstützt.
Der Crystal Palace von
Nordosten gesehen
(aus Dickinson's Comprehensive Pictures of the Great
Exhibition of 1851, published 1854).
Der
Paxton‘sche Ausstellungspalast war eine gigantische, 560 Meter lange und 33
Meter hohe Konstruktion aus Gusseisen, Stahl und Glas und bestand aus 293.655 Glassscheiben, 330 schweren
Gusseisenpfeilern und 38 Kilometern Stahlprofil. Das Ganze wurde von 5000
Arbeitern montiert, die viele Stunden für einen Minimallohn arbeiteten mussten.
Die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse erregten das Mitleid von
Catherine Marsh (1818-1912),
einer englischen Predigerin
und Sozialreformerin, die sich unermüdlich dafür einsetzte, dass die Arbeiter
eine gerechte Behandlung erfuhren; sie verschaffte ihnen auch eine richtige
Mahlzeit am Tag.
Der Crystal Palace der Londoner Weltausstellung von
1851
Das
Metallskelett des Ausstellungspalastes wurde von der Firma Fox & Henderson hergestellt; die 84.000 Quadratmeter
Flachglas lieferte die Glashütte der Brüder Chance in Smetthwick. Diese Firma
war die einzige, die einen so grossen Auftrag bewältigen konnte, aber selbst
sie musste Arbeiter aus Frankreich einstellen um das Glas fristgerecht liefern
zu können.
Die grosse Weltausstellung fand 1851 in Londons Hydepark statt. Mehr als
14.000 Aussteller aus aller Welt waren in der riesigen Halle mit ihren Ständen
vertreten. Den Namen „Crystal Palace“ erhielt die Halle von der satirischen
Zeitschrift Punch. Joseph Paxton wurde aufgrund seiner Leistung geadelt und
erhielt den Titel Sir.
Der Crystal Palace in einer
zeitgenössischen Darstellung
Nach
der Ausstellung wurde die Halle abgebrochen und nach Upper Norwood gebracht,
erweitert und stand dort zwischen bis 1936. In jenem Jahr brach ein immenser
Brand aus, der die Halle völlig zerstörte. Die Flammen waren über viele
Kilometer hinweg zu sehen. Leider war das Gebäude unzureichend versichert. Die
Versicherungssumme erlaubte es nicht, die Halle wieder aufzubauen. „Das ist das
Ende einer Epoche“, kommentierte Winston Churchill das Unglück.
Die riesige Halle der Londoner
Weltausstellung wurde das Vorbild aller Ausstellungshallen, die in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut wurden.
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