Eine besondere Art
klimagerechter Architektur treffen wir in den Botanischen Gärten: nämlich die
Gewächshäuser. Schon bei der Anlage eines botanischen Gartens muss man im
Hinblick auf die Bedürfnisse der verschiedenen Pflanzen auf die klimatischen
Verhältnisse achten. Manche Pflanzen mögen es sonnig, andere dagegen schattig,
manche Pflanzen lieben es trocken, andere eher feucht. Für die einzelnen
Pflanzenarten muss man deshalb in einem Botanischen Garten geeignete Habitats
schaffen.
Plan des botanischen Gartens von Padua (1545)
(Quelle: Wikipedia)
Botanische Gärten zum Anbau von Kräutern und Heilpflanzen
gab es schon im Altertum, denn die hauptsächlichsten Medikamente gewann man aus
Pflanzen. Schon die alten Ägypter, Griechen und Römer zogen Heilpflanzen in
besonderen Gärten und auch in Gewächshäusern. Hiervon berichtete zum Beispiel
Theophrastos von Eresos (um 371-287
v.u.Z.), ein Schüler des Aristoteles und Verfasser von botanischen Schriften.
Im Mittelalter waren es die christlichen Mönche, die in Europa die
medizinischen Kenntnisse des Altertums sammelten und weitergaben. In fast allen Klöstern gab es einen
botanischen Garten (Hortus
simplicius), in dem Heilpflanzen wuchsen. In der Folge entstanden botanische Gärten auch an den
Medizin- und Apothekerschulen sowie bei den neu gegründeten Universitäten. Nicht
selten gingen diese Gärten aus den alten Klostergärten hervor. 1447 entsteht in
Rom der „Hortus vaticanus“ und 1490 der Heilkräutergarten der Universität Köln.
Die neuen botanischen Gärten (hortus medicus) entstehen meistens zusammen mit
der Einrichtung medizinischer Fakultäten, in Italien sind es die Gärten der Universitäten von Pisa (1544), Padua (1545), Florenz (1545)
und Bologna (1567). Bald darauf entstehen auch in Mitteleuropa botanische Gärten, unter anderen
in Leipzig (1580), Jena (1586) und Heidelberg (1597). Der in London 1673 von der Apothekergilde angelegte
Heilkräutergarten in Chelsea existiert noch heute.
Die botanischen Gärten der Universitäten dienten in
erster Linie der pharmakologischen Forschung und der Ausbildung von Ärzten und
Apothekern; nicht selten entwickelten sie aber auch eine ausgedehnte
kommerzielle Tätigkeit indem sie halb Europa mit Heilkräutern und Heilmitteln belieferten.
Was die Anlage
eines Heilkräutergartens (hortus
simplicius) betrifft, so gibt eine bekannte Kräuter-Enzyklopädie (1)
folgende Anweisungen.
“Ein mildes Klima und
ein vor Winden geschützter, nicht zu schattiger Ort sind die grundlegendsten
Bedingungen für die Entwicklung der Pflanzenzucht. Wenn das verfügbare Terrain
geneigt ist, sollte man, um eine übermässige Bestrahlung durch die Sonne zu
vermeiden, in Norditalien einen Süd-
oder Südwesthang wählen, in Süditalien hingegen einen nach Osten oder Westen
abfallenden Hang“.
In Regionen mit kühlen und kalten Klima benutzt man gern Frühbeete, mit Glas abgedeckte Kästen (bis zu ca. 1,6 x
1,0 m), die zur Aussaat und zur Aufzucht von Jungpflanzen genutzt wird. Frühbeete verlängern, wie
Gewächshäuser die Zeit, die den Pflanzen für ihr Wachstum zur Verfügung steht.
Spalierwände
Höher
wachsende Pflanzen wie fruchttragende Büsche und Sträucher werden gern vor
windgeschützten, nach Süden ausgerichteten, Mauern gezogen. Auf diese Weise
sind die Pflanzen vor den kalten Nordwinden geschützt und geniessen die nachts von
der Wand abgestrahlte Wärme, denn eine massive, nach Süden orientierte Wand, die tagsüber von der Sonne
bestrahlt wird, erwärmt sich, speichert die Wärme und gibt sie nachts langsam
wieder ab. Die Wirkung hängt natürlich von der Witterung, insbesondere von der
Sonnenscheindauer ab.
Stützmauer
für den Anbau von Spalierobst, ca. 1730
(Quelle: Ledien, F.: Das
Gewächshaus des Privatmannes, Berlin 1900)
Vor
solchen Mauern wachsende Pflanzen kann man zusätzlich noch durch Glaswände gegen
Frost schützen. Tagsüber, wenn es warm ist und die Sonne scheint, sind die
Glaswände geöffnet und nachts, wenn es kalt ist, sind sie geschlossen. Solche
Mauern kann man zum Beispiel auf den Terrassen vor dem Schloss Sanssouci sehen,
das sich Friedrich II von Preussen bei Potsdam bauen liess.
Stützmauer
für den Anbau von Spalierobst
(Quelle: Schnurbusch, O.: Die praktischen
Kultureinrichtungen der Neuzeit (Gewächshaus-Bau), Leipzig 1904)
Der Schweizer
Naturforscher Nicolas Fatio de Dullier (1664-1753)
erwähnt solche Spaliermauern, von denen er sagt, dass die in Backstein
errichteten Mauern in England wirksamer seien als Bruchsteinmauern (2).
Dullier, der auch astronomische und physikalische Studien betrieb, hatte
beobachtet, dass eine senkrechte, nach Süden ausgerichtete Wand im Sommer wegen
des hohen Sonnenstandes weniger Sonne erhält, weshalb er vorschlug, anstelle
von Mauern Wälle mit einer Neigung von 45° aufzuschütten, weil diese im Laufe
eines Tages mehr Sonne erhalten.
Offensichtlich
war Dullier kein grosser Fachmann auf dem Gebiet des Garten- und Landbaus,
sonst hatte er wissen müssen, dass im Sommer die Erwärmung von Mauern durch die
Sonne unnötig ist, weil es auch nachts noch genügend warm bleibt.
Wärmespeichernde Mauern sind vor allem im Herbst und im Frühjahr nützlich, wenn
die Sonne nicht allzu hoch steht und die Sonnenstrahlen fast senkrecht auf
vertikale Mauern treffen.
Fatio de Dullier hat aber auch kipp- und drehbare Mauern vorgeschlagen, die
sich entsprechend dem täglichen Wechsel des Sonnenstandes ausrichten lassen.
Die von
Fatio de Dullier vorgeschlagene, drehbare Spalierwand
Zum
gleichen Thema hat sich auch den Engländer Stephen Switzer (1683-1745) geäussert
(3). In seinem Werk “Ichnographia Rustica” schlägt er den Bau
von halbkreisförmigen Mauern vor, von denen jeder Teil einer solchen Mauer für
eine bestimmte Zeit am Tage Sonne erhält.
Im Aosta-Tal
in Norditalien kann man Weinberge sehen, in denen die Reben sich über grosse
Felsbrocken ranken. Die Felsen werden tagsüber von der Sonne erwärmt und geben ihre
gespeicherte Wärme nachts an die Weintrauben ab, so dass diese länger an der
Rebe reifen können. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine einfache Art
der Sonnenenergienutzung.
Anmerkungen
(1) The Encyclopedy of Herbs and Herbalism, Orbis Publishing Ltd.,
London 1979.
(2) Dullier, N.F. Fruit Walls
Improved, London, R. Everingham, 1699.(3) Switzer, Stephen, Ichnographia Rustica, London: De Browne, 1718.
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