Vor einigen Jahren hatte ich eine Diskussion mit einem
Kollegen der sich begeistert für die Nutzung der Sonnenenergie einsetzt, selbstverständlich
mit den üblichen Argumenten: Sonnenenergie kostet nichts, ist unbegrenzt verfügbar
denn die Sonne scheint noch für einige Milliarden Jahre, die Nutzung der Sonnenenergie
schadet dem Klima nicht; hingegen werden
Erdöl und Erdgas bald aufgebraucht sein, ihre Verbrennung schädigt das Klima, und
die Nutzung der Atomenergie verbietet sich wegen des ungelösten Problems der
Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie anderer möglicher Gefahren für die
Menschheit. Er machte mir den Vorschlag, ein Buch über die Geschichte der
Solararchitektur zu schreiben, die irgendwie in grauer Vorzeit beginnen müsse, weil
der Mensch damals weder Kohle, noch Erdöl, noch Erdgas kannte.
Bevor man beginnt ein Buch zu schreiben, ist es notwendig, dass man den Gegenstand über den man schreiben will, möglichst klar definiert, damit man während des Schreibens das Thema nicht aus den Augen verliert. Das haben wir in der Schule gelernt. Als ich angefangen habe diesen Text zu schreiben, schien das Thema klar: „Geschichte der Solararchitektur“. Dann ist sofort die Frage nach der Definition von Solararchitektur aufgetaucht. Gibt es überhaupt eine einheitliche Definition von Solararchitektur? Leider gibt es die nicht. Was heute allgemein als Solararchitektur bezeichnet wird, ist rein willkürlich und meistens von der Interessenlage derjenigen bestimmt, die den Ausdruck benutzen. Für begeisterte Verfechter der Solarenergie ist quasi alle Architektur in irgendeiner Weise Solararchitektur.
Wenn Solararchitektur eine Reaktion auf die Nutzung fossiler Brennstoffe ist, dann beginnt ihre Geschichte erst im 19. oder 20. Jahrhundert. Lässt man dagegen die Alternativfunktion zu den fossilen Brennstoffen beiseite, bleibt der Umgang der Architektur mit der Sonne übrig, und dieser hat eine lange Geschichte, denn seit jeher muss die Architektur ihre Rechnung mit der Sonne machen. Dies fängt mit der Belegung eines sonnigen, windgeschützten Platzes an. Dieser Platz kann am Eingang einer Höhle liegen, die sich nach Süden öffnet. Eine Höhle ist zwar kein Bauwerk, aber Felsüberhänge, von Archäologen oft mit dem französischen Wort abri bezeichnet, haben den Menschen in vorgeschichtlicher Zeit oft als geschützte Wohnplätze gedient. Dort konnte man windgeschützt leichte Hütten aus Laub und Ästen errichten und, wenn die Sonne zu heiss schien, sich in den Schatten zurückziehen.
Der Mensch nutzt seit jeher die Sonne als Licht- und Wärmequelle,
aber seine Bauten waren nicht darauf angelegt, an Maximum an Sonnenenergie zu
ernten. In heissen Ländern, wo die Sonne im Übermass scheint, suchen die
Menschen den Schatten und nicht die Sonne und ihre Bauten müssen nicht wie die
mitteleuropäischen die Hälfte des Jahres geheizt werden. Die vorindustrielle, traditionelle Architektur muss deswegen richtigerweise
„klimagerechte Architektur“ heißen, denn sie nimmt Bezug auf die Besonderheiten
des lokalen Klimas und nicht in erster Linie auf die Sonne. Die Sonne ist nur eine der vielen Faktoren,
die das Klima beeinflussen. Das Klima kann es erfordern, dass man an einem
Ort die Sonne und ihre Wärme sucht, wie in Mitteleuropa, während man sie an anderen
Orten, zum Beispiel in Arabien und in Afrika flieht und eher Schatten und Kühle sucht. Das
Hauptziel der klimatischen Architektur ist es, im Innern eines Gebäudes ein
Klima zu kreieren, das angenehmer ist als das Aussenklima - und zwar mit einfachen Mitteln. Alle
traditionelle Architektur ist klimagerecht. Selbst die heute sogenannte Solararchitektur bedient sich weitgehend der
Mittel des traditionellen klimagerechten Bauens wie Orientierung zur Sonne,
Beschattung, Kühlung durch Nachtlüftung usw.
Aufgrund dieser Überlegungen sind nun zwei Bücher
entstanden: eine Geschichte des traditionellen klimagerechten Bauens und eine Geschichte
des modernen solaren Bauens, welches das Ziel hat, den Energiebedarf von Gebäuden
ausschliesslich oder hauptsächlich mit Sonnenenergie zu decken. Dieser Blog enthält
die Geschichte des traditionellen klimagerechten Bauens. Die Texte habe ich zunächst
in Italienisch geschrieben und erst dann die vorliegende deutsche Fassung
erarbeitet. Die italienische Version wird auf www.miniwatt.it veröffentlicht.
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