Die ersten festen
menschlichen Siedlungen von denen wir Kenntnis haben, entstanden vor etwa
12.000 Jahren in Anatolien. Sie entstanden als die Völker dieser Region
begannen essbare Pflanzen anzubauen und Klein- und Grossvieh zu züchten.
Landwirtschaft und Viehzucht begannen zu jener Zeit schrittweise die
nomadisierende Jagd und das Sammeln von Wildpflanzen und -früchten zu ersetzen.
Jagd und Sammeltätigkeit blieben jedoch auch weiterhin ein wichtige Quelle des
Nahrungserwerbs. Die neu erworbene Sesshaftigkeit führte zum Bau von ständigen
Wohnungen und dauerhaften Siedlungen. Schon vorher hatten anatolische Völker
Steinbauten errichtet, in der Regel Heiligtümer wie sie in Göbekli Tepe e a Nevalı Çori zum Vorschein gekommen sind
und die auf das 11. Jahrtausend u.Z. datiert werden.
Das Klima Anatoliens
ist kontinental. Die Sommer sind heiss und trocken, die Winter streng und
schneereich. Im Ostteil des Landes können die Temperaturen im Winter bis auf
unter -30°C absinken.
Çatal Hüyük
Eine der ältesten festen Siedlungen im südöstlichen Teil Anatoliens ist Çatal Hüyük. Der Ort liegt auf einer weiten Schwemmebene
des Çarşamba-Flusses. Wasser gab es also genügend, ein wichtiger Faktor auf der damals
relativ trockenen Konya-Hochebene.
Aus diesem Grund bot die Gegend ein breites Spektrum von essbaren Pflanzen und
jagdbaren Tieren, was auch wahrscheinlich der Grund für die Anlage einer Siedlung
von bisher unbekannter Grösse war.
Häusergruppe
von Çatal Hüyük
Çatal
Hüyük wurde in den 50er Jahren vom britischen Archäologen James Mellaart (1) entdeckt, der zwischen 1961 und 1965 verschiedene Ausgrabungen unternahm
und die Reste von mehr als 160 Häusern freilegte. 1993 wurden die Ausgrabungen im
Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes unter der Leitung von Ian
Hodder von der Universität von Cambridge und der Stanford University (2) wieder
aufgenommen. Weitere Ausgrabungen erfolgten durch die Archäologen der Universität
von Posen (Polen).
Zur Zeit Mellaarts dachte man, man hätte mit Çatal Hüyük die älteste feste
Ansiedlung der Welt entdeckt. In der Zwischenzeit sind jedoch die Reste
weiterer neolithischer Siedlungen hinzugekommen die noch älter als Çatal Hüyük sind. Çatal Hüyük ist jedoch
die bekannteste Siedlung und zwar wegen der in dort gefundenen Wandbemalungen
und Relieffiguren, von denen mehrere Tiere und Frauenkörper darstellen.
Rekonstruktion des Inneren eines Hauses von Çatal Hüyük
Der Ort lag auf zwei Hügeln und wurde von einem dichten
Gewirr von Häusern gebildet. Die Häuser haben rechteckigen Grundriss und
Lehmmauern, teils aus Stampflehm, teils aus Lehmziegeln. Höhenunterschiede
zwischen den einzelnen Häusern und Räumen erlaubten eine ausreichende
Belichtung und Belüftung. Zu den einzelnen Häusern führten keine Wege; in die Wohnungen
gelangte man über die Dächer.
Die Häuser von Çatal Hüyük hatten Flachdächer, die mit einer
Einstiegsluke versehen waren durch die man über eine Leiter ins Innere
gelangte. Die Leiter befand sich häufig an der Südwand des Hauses, wo sich auch
die Feuerstelle befand, so dass der Rauch durch die Einstiegsluke abziehen
konnte. Die zahlreichen Schichten des Wandanstrichs lassen daran denken, dass
die Wände ständig vom Rauch geschwärzt wurden und deshalb oft einen neuen
sauberen Anstrich brauchten.
Die Rekonstruktion eines
Hauses hat gezeigt, dass das Licht, welches durch die Einstiegsluke ins Innere
fiel, ausreichte um den Raum am Tage zu
belichten, vor allem wenn die Wände frisch getüncht waren. Diese Wände waren
teilweise auch kunstreich bemalt mit Figuren aller Art. Eine dieser Malereien
ist von Mellaart als „Stadtplan“ interpretiert worden. Es gibt jedoch auch
andere Interpretationen.
Der “Dorfplan” von Çatal Hüyük
Der Boden der Häuser lag
auf verschiedenen Ebenen. Einige erhöhte Teile davon waren mit Schilfmatten
belegt und dienten zum Schlafen. An der Nordseite der Häuser befand sich häufig
ein kleiner Raum zum Aufbewahren von Vorräten. Die Häuser dienten wohl
hauptsächlich zum Schlafen, denn das Leben der Menschen spielte sich weitgehend
im Freien und auf den Dächern ab.
In Mittelanatolien
wurden noch weitere neolithische Siedlungen dieses Typs gefunden, darunter Aşıklı
und Can Hasan. Die Forschungen haben gezeigt, dass es in den einzelnen
Hausgruppen doch Freiflächen gab. Man schätzt, dass Çatal Hüyük nicht mehr als 2500 Einwohner hatte.
Frühere Schätzungen waren bis zu 10.000 Einwohnern gegangen. Die Enge der
Hausgruppen und Abfall auf den Freiflächen dürften mit Sicherheit ernste
Hygieneprobleme hervorgerufen haben.
Dank seines Alters, seiner Grösse, seiner
Architektur und seiner Wandmalereien ist Çatal Hüyük in der ganzen Welt bekannt geworden und wird
gern als ein Meilenstein der prähistorischen Archäologie bezeichnet. Es als
„erste Stadt der Menschheit“ zu bezeichnen, wie es oft geschieht, ist jedoch
stark übertrieben. Çatal Hüyük ist
eine dörfliche Siedlung, die über viele Jahrhunderte bewohnt war.
Zweifellos war das Ziel
seiner Erbauer und Bewohner nicht möglichst viel Sonne und Licht in die
Wohnungen zu bringen. Warum auch? Das Leben spielte sich hauptsächlich im
Freien ab. Möglicherweise war es das Sicherheitsbedürfnis, welches zu der
geschlossenen Bauform der Siedlung geführt hat, die wir heute dank der
Ausgrabungen kennen. Man kann auch Fragen, welche Rolle das Klima bei der
Entwicklung dieser Bauform gespielt hat. Die Wahl von Flachdächern mit einem
Belag aus Lehmestrich weist auf eine geringe Niederschlagsmenge hin.
Anmerkungen
(1) Mellaart,
James: Catal Huyuk: A Neolithic Town in Anatolia. McGraw-Hill,
(1967).
(2) On the
Surface: Çatalhöyük 1993–95, edited by Ian Hodder. Cambridge: McDonald Institute
for Archaeological Research and British Institute of Archaeology at Ankara,
1996
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