Etwa
auf der gleichen geographischen Höhe wie Çatal
Hüyük (L 38° N), jedoch auf einem anderen Kontinent und achttausend Jahre später,
entwickeln sich im südwestlichen Teil des Bundesstaates Colorado, neue
Siedlungen in der Mesa Verde. Mesa Verde ist ein amerikanischer Nationalpark,
der sich von 1060 Meter über dem Meer bis auf eine Höhe von 2500 Meter erhebt.
Das Klima dort hat alpinen Charakter. „Mesa“ ist ein spanisches Wort und
bedeutet „Tafel“ (mensa), weil das
Gebirge die Form eines Tafelberges (table
mountain), d.h. eines Hochplateaus hat.
Mesa
Verde erhebt sich 600 Meter über die Hochebene des südwestlichen Colorados.
Seine Wände sind glatt, ziemlich steil und zerklüftet. Trotzdem sind sie von
einer dichten Vegetation bedeckt. Die Winter sind ausserordentlich mild, aber
bis Anfang Mai und schon vor dem Oktober kann es zu vereinzeltem Schneefall
kommen. Zwischen Juni und September sind die Temperaturen sehr hoch; im Juli und
im August kommt es häufig zu schweren, abendlichen Gewittern.
Die
Mesa Verde war schon im 6. Jahrhundert besiedelt, und zwar von Gruppen die dem
Volk der Anasazi angehörten und in Erdhäusern (pit
houses) wohnten. Sie werden
der Korbmacherkultur (“basketmaker”)
zugerechnet. Aus diesen ursprünglich nomadisierenden Sammlern und Jägern entstand
im 8. Jahrhundert eine Gesellschaft von sesshaften Ackerbauern, die, um ihre
Feldern zu bewässern, auf denen sie Mais, Bohnen und Peperoni zogen, sich auch
als Erbauer von komplexen Kanalsystemen hervortat.
Cliff
Palace - Mesa Verde (Colorado). Die Anlage wurde 1892 von Richard Wetherhill
entdeckt.
Die Häuser waren normalerweise zugänglich nur über eine Öffnung im
Dach.
Vor etwa 800 Jahren
begann dieses Volk, zu dem die Hopi, Acoma, Tano und Zuñi gehören, Siedlungen
mit Häusern aus Stein und Lehm zu bauen. Diese Siedlungen sind heute unter dem
Namen „Pueblos“ bekannt. Pueblo ist ein spanischen Wort und bedeutet unter
anderem auch „Dorf“. Viele dieser Pueblos befinden sich an den Felshängen der Mesa
und werden deshalb auf Englisch „Cliff
dwellings“, Felswohnungen bezeichnet.
Nachdem
sie die Landwirtschaft angenommen hatten und sesshaft geworden waren,
entwickelten diese Völker auch ihre handwerklichen Kunstfertigkeiten. Aus
Korbmachern wurden talentierte Töpfer. Und auch ihre Bautechniken entwickelten sie
weiter. Die Gebäude, die vorher nur Wände aus mit Lehm beworfenen Korbgeflecht hatten,
bekamen nun senkrechte Mauern, und zu den Lehmmauern kamen Steinmauern hinzu.
Wahrscheinlich
war es das demographische Wachstum, welches zu einer Erweiterung und
Verbesserung der baulichen Strukturen und zur Anlage grösserer Siedlungen
führte. Ein Pueblo kann bis zu fünf Stockwerken haben und mehr als hundert
Räume umfassen. Ein Beispiel dafür ist der Pueblo Bonito im Canyon Chaco der
800 Räume und mehr als 30 Versammlungsstätten (kiva) aufweist. Die einzelnen Stockwerke waren nur über Leitern von
aussen zugänglich.
Das
bekannteste Cliff Dwelling ist wohl
der sogenannte Cliff Palace, der
unter einem riesigen, sich nach Westen öffnenden Felsüberhang der Mesa Verde errichtet
wurde. Er ist der Eindrücklichste der 800 Pueblos von Mesa Verde, wurde aber
erst 1892 von Richard Wetherhill entdeckt. Die Anlage besteht aus mehr als 200 Räumen
und 23 Kivas, runden, halb in den Boden versenkten Räumen, in denen
Versammlungen abgehalten wurden und religiöse Zeremonien stattfanden. Ein
grosser Kiva befindet sich im Zentrum der Anlage von wo aus öffnungslose Mauern
abgehen. Die Wände dieses Kiva waren verputzt und auf jeder Seite mit einer
anderen Farbe bemalt. Die Archäologen vermuten deshalb, das in diesem Pueblo
zwei verschiedene Gemeinschaften lebten.
Den
dendrochronologischen Daten zufolge wurde der Cliff Palace ununterbrochen
zwischen etwa 1190 und 1260 bewohnt und wurde gegen das Jahr 1300 verlassen,
möglicherweise wegen akuten Wassermangels oder wiederholten Klimaschwankungen.
Die Häuser hatten keine
Türen, sondern man gelangte in sie wie in Çatal
Höyük über eine Öffnung im Dach. Der Bau der Anlage an einer so schwierig
zu erreichenden Stelle lässt daran denken, dass es den Bewohnern hauptsächlich
um Sicherheit ging. Nicht nur der Pueblo als solcher, sondern auch jedes
einzelne Haus gleicht einer kleinen Festung. In den noch heute bewohnten
Pueblos hat sich viel von der ursprünglichen Bauweise erhalten, aber sie sind
keine uneinnehmbare Festungen mehr wie die alten.
Pueblo
Hopi in Arizona (Um 1879)
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