1936, beauftragte das Journalistenehepaar Herbert und
Catherine Jacobs (1) Frank Lloyd Wright mit der Projektierung eines Hauses in
Madison, Wisconsin, aber schon wenige Jahre später genügte dieses Haus nicht
mehr den Ansprüchen der Familie, vor allem weil in der Gegend in kurzer Zeit
viele anderen Häuser entstanden waren. Die Jacobs gaben ihr Haus auf und zogen
in ein anderes, das mit 2,1 Hektar Umland hatte und das sich heute an der
Peripherie von Middleton (Wisconsin) befindet. Schon beim Kauf dieser
Liegenschaft dachte das Ehepaar daran, Wright mit dem Entwurf eines neuen
Hauses zu beauftragen.
Dieser Moment kam 1944. Im Frühjahr jenes Jahres erarbeitete
Wright den Entwurf für ein neues Haus der Jacobs, das eines seiner bekanntesten
Häuser werden sollte und als “Solar Hemicycle” in die
Architekturgeschichte eingegangen ist. Das Haus ist ein einzigartiges Beispiel
von passiver Sonnenenergienutzung. Man befand sich jedoch noch mitten im Zweiten
Weltkrieg und es war äusserst schwierig Baumaterial zu bekommen. Deshalb
begannen die Bauarbeiten erst 1946. Mithilfe einiger ortsansässigen Handwerker
führten die Jacobs einen grossen Teil der Arbeiten selbst aus, weswegen das
Haus erst 1949 bezogen werden konnte. Dafür waren die Baukosten auch sehr
niedrig: gerade einmal 20.000 Dollar.
Das Haus Jacobs II 1980 kurz vor der Sanierung
Das architektonische Konzept basiert auf Kurven,
Radien und Kreisen. Das Haus ist so ausgelegt, dass die Sonnenenergie im
grösstmöglichem Mass passiv zur Heizung der Wohnung genutzt wird. Deshalb hat
das Haus auch einen halbkreisförmigen, sich Grundriss, der sich nach Süden und
dem Garten zu öffnet. Dank dieser Form und Orientierung kann die Sonne im
Winter durch die gläserne Fensterwand tief ins Haus eindringen, während im
Sommer ein weit vorspringendes Dach für Schatten sorgt. Die Fensterwand war aus
Kieferholz und einfach verglast.
Auf der Nordseite ist das Haus fast vollkommen durch
eine Mauer aus lokalem Kalkstein geschlossen, die ausserdem noch bis zur Höhe
des ersten Stockwerks in einer Erdaufschüttung verschwindet, welche die kalten
Nordwinde abhält. Auf der Nordseite sieht man vom Haus nur ein schmales, etwa
45 Zentimeter hohes Fensterband, durch das der Schlafbereich im Obergeschoss
Licht erhält.
Die
Südfassade des Solar Hemicycle 1949
Die Bruchsteinmauer auf der Nordseite ist drei Fuss
(90 cm) dick und an den Stellen, wo sie zweischalig ist, sogar vier Fuss (120
cm). Sie wird unterbrochen von einem runden Turm von 15 Fuss (4,5 m)
Durchmesser, in dem sich die Treppe zum Obergeschoss befindet. Im Nordosten durchbricht
ein kleiner Tunnel die Erdaufschüttung, der zur Terrasse auf der Südseite des
Hauses führt, wo sich auch der Hauseingang befindet.
Die Terrasse vor der grossen Glaswand auf der Südseite
ist vollständig windgeschützt, so wie es Frank Lloyd Wright Herrn Jacobs
vorausgesagt hatte: „Sie können dort vor dem Haus ihre Pfeife selbst bei
starkem Wind anzünden“.
Grundriss
des Solar Hemicycle von Frank Lloyd
Wright
Das Innere des Hauses besteht aus einem einzigen
grossen Raum, der sich über zwei Geschosse hinweg erstreckt. Im Erdgeschoss
liegt der Wohnraum mit Essplatz vor dem Turm, nur wenige Schritte von der Küche
und vom Hauseingang entfernt. Im Turm selbst ist neben der Treppe ein
Installationsraum untergebracht und, auf der Westseite des Erdgeschosses
befindet sich eine Ecke zum Arbeiten und zum Fernsehen. Unter der Glaswand
erstreckt sich ein rundes Wasserbecken zur Hälfte in den Wohnraum, zur Hälfte in
die Terrasse. Es verbindet Innen- und Aussenraum miteinander.
Das Obergeschoss ist nur 1,9 Meter hoch und besteht
aus einer Galerie, die zum Schlafen dient. Bad und Treppe befinden sich im Turm.
Die Galerie ist mit Stahlstäben an den Dachbalken aufgehängt. Die Galerie hat
einen Abstand von der Fensterwand von 120 cm, so dass die aufsteigende warme
Luft im Winter die Schlafzone erwärmt. Das Erdgeschoss hat eine Grundfläche von
135 Quadratmetern, die Galerie eine solche von etwa 90 Quadratmetern.
Das Wohnzimmer 1949
Das Haus hatte eine Fussbodenheizung, was damals noch
sehr selten war. Diese Heizung erlaubte es die Wassertemperatur niedriger zu
halten als es bei normalen Strahlungsheizkörpern möglich gewesen wäre. Die
relative Luftfeuchtigkeit lag bei etwa 50 Prozent.
Das Konzept des Hauses war ausgesprochen gut. Wenn am
kältesten Tag des Jahres die Sonne schien, blieb es Haus so warm, dass keiner
auf die Idee kam, die Heizung anzustellen. Die Betonplatte unter dem Fussboden
und die über 400 Tonnen Kalkstein der Mauern waren exzellente Wärmespeicher und
strahlten die gespeicherte Wärme ab, so dass man nur am Abend die Heizung
anstellen musste.
Als die Jacobs sich entschlossen nach Kalifornien zu ziehen,
verkauften sie das Haus an einen Geschichtsprofessor der Universität von Wisconsin.
Zu jenem Zeitpunkt war das Haus 15 Jahre alt und noch in gutem Zustand. Etwa 20
Jahre später kam das Haus an den Sohn des Professors, der sich des Gebäudes
annahm und es sorgfältig und mit viel Geld restaurierte und wieder in den
Zustand von 1948 versetzte, denn das Haus hatte in der Zwischenzeit
verschiedene Veränderungen erfahren.
Auf seiner Internetseite (1) zählt der
Sohn die Probleme auf, vor denen er sich 1980 gestellt sah, als er beschloss,
das Haus wieder instand zu setzen. Ich beschränke mich hier darauf, nur die
Probleme zu nennen, welche den Energiehaushalt des Hauses betreffen:
· Im Winter 1980 kostete die Heizung des Hauses mehr
als 3500 Dollar. Die 1980 durchgeführten Messungen zeigten, dass etwa 20
Prozent der Energieverbrauchs auf die fehlende Wärmedämmung des Daches
zurückzuführen war. Das Dach bestand damals nur aus einer doppelten
Holzschalung (5 cm), die mit Dachpappe und Kies abgedeckt war. Deshalb
verbrauchte die Heizung 3500 Gallonen, also mehr als 13.000 Liter Öl, trotz der
beachtlichen solaren Wärmegewinne an sonnigen Tagen. Damals kostete die Gallone
(3,785 Liter) Öl nur etwa 1 Dollar.
· Die Bruchsteinmauer mit der Erdaufschüttung auf
der Nordseite des Hauses, die dazu dienen sollte, die kalten Winde abzuhalten
und auf diese Weise die Heizkosten zu vermindern, besass keinerlei
Wärmedämmung. Wenn man bedenkt, dass in Wisconsin die Erde im Winter bis zu
einer Tiefe von 4 Fuss (1,20 m) gefrieren kann, dann versteht man, dass ein
guter der Teil der im Haus erzeugten Wärme in dem Erdwall verschwand.
· Nach der Installation eines effizienteren
Heizkessels platzten die Rohre der Fussbodenheizung, die dann nicht mehr zu gebrauchen
war, nicht zuletzt auch weil die Heizung zwei Jahre lang ausser Betrieb gewesen
war und sich in den Rohren Eis gebildet hatte. Die Heizung liess sich ausserdem
nicht vollkommen entleeren, weil die Neigung der Rohre zu gering war.
· Der Holzrahmen der Glaswand hatte stark gelitten so
dass die Verglasung nicht mehr dicht war.
· Auch das Dach war nicht mehr dicht und der
Dachvorsprung war in sehr schlechtem Zustand und verdunkelte den Innenraum.
· Das gesamte elektrische Leitungssystem war
überaltert und entsprach nicht mehr den Vorschriften.
· Den grössten Teil der Fenster konnte man nur
einmal im Jahr öffnen und schliessen und dies nur mit grosser Anstrengung.
· An den wärmsten Tagen des Jahren fehlte jegliche Möglichkeit
zur Kühlung.
· Die Installationen des Wasserbeckens war
unbrauchbar geworden.
Der neue Eigentümer ergriff daraufhin folgende
Sanierungsmassnahmen:
· Entfernung der alten
Fussbodenheizung und Installation einer neuen mit Wärmedämmung gegen unten
· Bau eines neuen
Wasserbeckens
· Entfernung der alten
Glaswand und deren Ersatz durch eine neue
· Entfernung und Ersatz aller
Fenster und Holzverkleidungen im Obergeschoss
· Einbau neuer, stärkerer
Dachbalken, ausgelegt zur Aufnahme höherer Dachlasten (Schnee)
· Vollständiger Ersatz des
alten Vordaches
· Einbau eines neuen
wärmegedämmten Daches
· Entfernung der
nachträglich im Obergeschoss eingebauten Zwischenwände
· Erneuerung aller
Spenglerarbeiten
· Einbau eines neuen
Heizkessels mit höherem Wirkungsgrad um schneller heizen zu können sowie einer
Lüftungsanlage
· Modernisierung der gesamten
elektrischen Installation
Anmerkungen
(1) Jacobs, H.: Building with Frank Lloyd Wright,
An Illustrated Memoir, San Francisco (1978)
(2) Das Klima im Bundesstaat Wisconsin ist sehr günstig
für die Landwirtschaft. Es regnet hauptsächlich im Frühjahr und Sommer. In
diesen Jahreszeiten fallen etwa zwei Drittel der jährlichen Niederschläge.
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