1927 fand in Stuttgart eine Bauausstellung unter dem Titel
“Die Wohnung” statt. Die Ausstellung umfasste 21 Wohnhäuser mit insgesamt 63 Wohnungen, die in nur
21 Wochen gebaut wurden. Zur Zeit ihrer Erstellung
zeigten diese Gebäude und Wohnungen einen bis dahin unbekannten Wohnstandard:
jedes Haus besass eine Zentralheizungsanlage, jede Wohnung hatte ein Badezimmer und ein separates WC. Die
Ausstellung zeigte auch viele Ideen, wie man die Räume variabel nutzen konnte. Das
von Mies van
der Rohes entworfene Haus zeigte das Beispiel einer Wohnung mit “offenem“ Grundriss,
mit verstellbaren Zwischenwänden, die zwischen Fussboden und Decke eingespannt
waren.
Luftaufnahme der Siedlung “Weissenhof” in Stuttgart
Mit
der Ausstellung wollte der Deutsche Werkbund der Bevölkerung vorführen wie der
moderne Mensch wohnt; es wurden neue Baumaterialien gezeigt und Reihenhäuser,
die aus vorgefertigten Elementen gebaut waren, ein System, das der Architekt Ernst
May (1886-1970) für eine Siedlung in Frankfurt am Main entwickelt hatte.
Die
Baukosten dieser experimentellen Musterhäuser und die daraus sich ergebenden
Mietzinse lagen etwa 30 Prozent über dem damaligen Stuttgarter Durchschnitt.
Die ersten Bewohner der Siedlung gehörten deshalb alle dem Mittelstand an. Es
handelte sich vorwiegend um Intellektuelle, die von der modernen Architektur
fasziniert waren. Diese Bewohnerschaft verflüchtigte sich jedoch rasch nach
1933, als das Naziregime drohte, die, von ihm geringschätzig (wegen der
Flachdächer und der weissen Farbe der Häuser) als „Araberdorf“ diffamierte
Siedlung, abzureisen. Alle Mietverträge wurden bis 1939 gekündigt (1).
An der Ausstellung war eine Reihe international bekannter
Vertreter des „Neuen Bauens“ beteiligt, darunter Peter Behrens, Victor Bourgeois, Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Walter
Gropius, Ludwig Hilberseimer, Jacobus Johannes Pieter Oud, Hans Poelzig, Hans
Scharoun, Mart Stam und Bruno Taut. Das Alter dieser Architekten lag zwischen
35 und 45 Jahren. Die Idee zur Ausstellung kam vom Deutschen Werkbund. Die
Leitung des Gesamtprojektes lag in den Händen von Ludwig Mies van der
Rohe.
Doppelhaus von Le Corbusier in der Weissenhof-Siedlung
Die Siedlung
Weissenhof in Stuttgart gilt heute als eine der wichtigsten Beispiele der
modernen Architektur und des modernen Städtebaus, doch handelt es sich nicht um
eine wirkliche Wohnsiedlung, sondern nur um eine Reihe Musterhäuser aus der
Zeit in der die moderne Architektur in Deutschland Form annahm.
2002 erwarb die
Stadt Stuttgart vom Bund das zur Siedlung gehörende Doppelhaus von Le Corbusier
und Pierre Jeanneret. Am 25. Oktober 2006 wurde in dem Gebäude nach drei Jahren
originalgetreuer Restaurierung das Weissenhof-Museum mit historischen
Dokumenten und Architektur-Modellen eröffnet.
(1) Bodo Rasch: Wie die
Weissenhofsiedlung entstand, in: Die Zwanziger Jahres des Deutschen Werkbunds, Reihe:
Werkbund-Archiv, Nr. 10
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